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Literaturmuseum/Literaturarchiv: Dr. Ute Pott

Teil 11

Meine Mutter erzählte einmal, wie sie mit meiner Urgroßmutter, also ihrer Oma, durch die Amtsgartenstraße von Ottersleben ging. Dabei kam es zu einer Begegnung mit einem dritten Beteiligten, der freundlich grüßend mit den beiden ein Gespräch begann. Meine Urgroßmutter war ebenfalls ins Gespräch vertieft und so wurden Herzlichkeiten über Wohlbefinden und Wetter ausgetauscht. Als das Gespräch dann zu Ende war und beide Frauen wieder allein waren, wandte sich meine Uroma an meine Mutter und fragte sie, wer dieser Mann überhaupt gewesen sei. Meine Mutter sagte darauf, der alte Lehrer Soundso wäre das gewesen. Dieser alte, längst in Rente gegangene Lehrer war der Lehrer meines Opas, später Direktor an der Schule meiner Mutter und viel später immer noch Direktor, als meine Mutter selbst Lehrerin wurde und an dieser Schule zu unterrichten begann.

So ungefähr konnte man sich den Ablauf der Veranstaltung vorstellen, deren Protagonistin Frau Dr. Ute Pott war, Leiterin des Gleimhauses in Halberstadt, in der Vorlesungsreihe „Angewandte Literaturwissenschaft“. Denn alles, was ich sagen wollte, war, dass meine Uroma kurzsichtig war und keine Brille tragen wollte, wofür ich gerade einen ganzen Absatz benötigt habe. Frau Pott verschleierte ihre Kurzsichtigkeit allerdings nicht durch unverfänglich geäußerte Artigkeiten, sondern bat uns aus dem selben Grunde, alle ein wenig näher an sie heranzurücken und die Bänke ganz hinten zu räumen, weil sie nämlich gern ihre Brille abnehmen, uns nicht fressen, sondern tatsächlich besser sehen wollte.

Da dies nicht die einzige Anekdote blieb, die Frau Pott an diesem Tage für uns übrig hatte, war trotz des weitschweifigen Erzählstils keine Langeweile aufgekommen. Dr. Alexander Košenina blieb diese Art der Erzählung natürlich nicht verborgen und so unterbrach er Frau Pott das ein oder andere Mal, um mit dieser Unterbrechung gleichzeitig noch ein paar neue Fragen aufzuwerfen. Frau Pott ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken und hielt alle von ihr eröffneten Erzählstränge fest im Griff. Wie die Enden ihres Schals schlang sie die Erzählfäden um sich, entknotete, überwarf und zupfte an diesen, bis alles wieder seine Ordnung hatte.

Dieser generellen Liebe zum Detail war eine innige Beziehung zu ihrer Arbeit beigemischt, die sich zu einem nicht geringen Anteil aus ebensovielen kleinen Details zusammensetzte: den Briefen des Gleimhauses, insbesondere den Briefen Anna Louisa Karschs. Unklar blieb, wie es wirklich dazu kam, dass sie zuerst stellvertretende und später Leiterin des Gleimhauses wurde, aber die Arbeit an diesen Briefen, so konnte man während ihrer Schilderung spüren, hatten es ihr angetan und sie seither nicht mehr losgelassen. Ihre Bewerbung auf die Stelle war demnach reine Formsache. Die Fragen hinsichtlich des Inhalts einer Bewerbung wurden von ihr deshalb nicht anders beantwortet, als es die lange Reihe Vorredner auch getan hatte/hätte. Was viel wichtiger zu sein schien, war das Herzblut, mit dem sie bei der Sache war, das man ihr angemerkt haben musste, das den Ausschlag gab für den bekommenen Job. Da war das falsche Geburtsdatum – sie gab in der Bewerbung an, 1765 geboren worden zu sein – nurmehr das i-Tüpfelchen, mit dem sie ihrem Brennen für die Sache (unbewusst?) Ausdruck verliehen hatte.

Ganz die Vermittlerin war sich Frau Pott auch nicht zu schade für das Einbeziehen der Wandtafel. Sie zeichnete dort die vier Säulen des Arbeitens in einem Museum nach: Sammeln, Bewahren, Erforschen/Dokumentieren und Vermitteln. Das waren zwar eher dünne Striche, die von einem dicken Körper abstachen und irgendwie an Kafkas Käfer erinnerten, aber, wie ich fand, längst noch nicht so weit hergeholt, wie der Vergleich, dass Gleim eine Vorstufe von Facebook erfunden hätte, indem er seiner Freunde Konterfei auf Gemälden um sich herum platzieren ließ. Ganz die Vermittlerin wurde dieser Zusammenhang natürlich nur bemüht, um zu zeigen, dass man jemanden dort abzuholen hat, wo er steht, und die Jugend von heute, also insbesondere Schulklassen, die das Gleimhaus besuchen, kann man mit diesem Vergleich eher „abholen“ als durch einen „Brigadeabend“*. Ich fühlte mich ebenfalls gut abgeholt.

*eine stark verkürzte Erklärung des in der Vorlesung häufig gefallenen Begriffes. Brigadeabende fanden im Gleimhaus zu Zeiten der Trennung in BRD und DDR sehr häufig statt.

Teil 13

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Zuletzt aktualisiert: 24. Jan, 07:13

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