Hinter mir
Ich habe heute mein erstes von vielen Referaten gehalten. Es war nur eine Textvorstellung, eine Kleinigkeit. Wir waren zu dritt. Jeder von uns knapp 5 Seiten. Ein Spaziergang.
Ein Monster! Die Genese und Bedeutung des Lebensweltbegriffes. Letzte Woche Mittwoch meldete ich mich freiwillig. Zu Sonntag verabredeten wir drei, dass wir uns kurzschließen und uns gegebenenfalls am Montag treffen, wenn etwas unklar ist. Ich las am Sonntag den Text und verstand nichts. Das stimmte nicht. Ich verstand einiges aber ein Zusammenhang, geschweige denn eine Erklärung des Ganzen in eigenen Worten war mir einfach nicht möglich.
Dann schaltete ich ab. Ich wurde immer ärgerlicher. Ich bekam Hass auf den Dozenten, dem es offensichtlich darum ging, die Teilnehmerzahl in seinem Seminar möglichst klein zu halten – eine These übrigens, die sich gehalten hat. Ich bekam Hass auf den Autor, der die Frechheit besaß, Husserl zu zitieren, der ungefähr so etwas sagte wie, dass die Wissenschaft mit ihren Verfahren des Abstrahierens, Verdinglichens usw. schuld daran sei, dass der Lebensweltbegriff überhaupt erst „erfunden“ werden müsse. Die Wissenschaft sei zu weit von der Lebenswelt entfernt. Dieser Wissenschaftler hier übersetzte die „Klassiker“, also Husserl, Heidegger, Schütz usw., aber keineswegs in einen verständlichen Text. Stattdessen kam ein mit Fachchinesisch überfrachtetes Ungeheuer dabei heraus, dessen Erklärungen zu den Vokabeln, die ich nachschlagen musste, um Seiten länger waren, als mein bescheidenes Stückchen Text, das ich vorzustellen hatte.
Ich bekam Hass auf mich selbst, wie ich da so lässig sagte, ach, dann mache ich bei der ersten Gruppe noch mit, wo ich doch selbst so wenig zugehört hatte. Ich wusste doch überhaupt nicht, worum es ging, weil ich andere Dinge zu tun hatte in der ersten Sitzung. Dann habe ich es hinter mir, dachte ich, genauso lässig. Am Montag lagen meine Nerven blank. Am Nachmittag hatte ich den Text bereits ein zweites und ein drittes Mal gelesen. Ich traf mich mit einer von meinen beiden Mitreferentinnen, wir sprachen das durch und kamen zu keinem Ergebnis, wünschten uns aber Glück. Und dann versuchte ich mich Montagnacht mit einer Verschriftlichung, einem ersten Versuch für mein Gestammel. Es wurde nichts, was zu erwarten war.
Um 23:00 Uhr tat ich dann das Vernünftigste, was mir dazu einfallen konnte. Ich rief Herr Putzig an, Soziologe, Freund und erste Adresse für ein kaltes Bier im Warmen. Ich schickte ihm den Text, sagte ihm, ich sei gegen halb zwölf da und er solle doch schon mal schauen. Herr Putzig scheute sich aber. Er druckste herum; und gab dann nach. Ein Bier! Nur eins!
Als ich gegen viertel vor Zwölf bei ihm war, hatte er tatsächlich in den Text geguckt. Wir unterhielten uns, wir forschten nach diesen kleinen Haken im Text, die Bojen in der Buchstabensuppe, da wollten wir rein, eine Bresche schlagen, uns festklammern, Sinneinheiten bilden, Absätze abhaken. Wir probierten einiges aus, wir erklärten uns gegenseitig die gelesenen Passagen, wir beteten unsern Jammer bei einem Bier runter und kamen auf ein paar kleine Ansätze. Die notierte ich mir.
Ich geriet dabei natürlich immer mehr aus der Fassung. Das lag nicht am Bier, auch wenn es mehr als eins gewesen war. Ich beschwerte mich über den Dozenten, über den Autor, über die ganze verschissene Wissenschaft, die es mir nicht recht machte. Und plötzlich holte Herr Putzig einen Zettel aus seinem Portemonnaie und gab ihn mir mit den Worten, da gucke er manchmal drauf. Da stand: Reg dich nicht so auf, Herr Putzig!
Ein Monster! Die Genese und Bedeutung des Lebensweltbegriffes. Letzte Woche Mittwoch meldete ich mich freiwillig. Zu Sonntag verabredeten wir drei, dass wir uns kurzschließen und uns gegebenenfalls am Montag treffen, wenn etwas unklar ist. Ich las am Sonntag den Text und verstand nichts. Das stimmte nicht. Ich verstand einiges aber ein Zusammenhang, geschweige denn eine Erklärung des Ganzen in eigenen Worten war mir einfach nicht möglich.
Dann schaltete ich ab. Ich wurde immer ärgerlicher. Ich bekam Hass auf den Dozenten, dem es offensichtlich darum ging, die Teilnehmerzahl in seinem Seminar möglichst klein zu halten – eine These übrigens, die sich gehalten hat. Ich bekam Hass auf den Autor, der die Frechheit besaß, Husserl zu zitieren, der ungefähr so etwas sagte wie, dass die Wissenschaft mit ihren Verfahren des Abstrahierens, Verdinglichens usw. schuld daran sei, dass der Lebensweltbegriff überhaupt erst „erfunden“ werden müsse. Die Wissenschaft sei zu weit von der Lebenswelt entfernt. Dieser Wissenschaftler hier übersetzte die „Klassiker“, also Husserl, Heidegger, Schütz usw., aber keineswegs in einen verständlichen Text. Stattdessen kam ein mit Fachchinesisch überfrachtetes Ungeheuer dabei heraus, dessen Erklärungen zu den Vokabeln, die ich nachschlagen musste, um Seiten länger waren, als mein bescheidenes Stückchen Text, das ich vorzustellen hatte.
Ich bekam Hass auf mich selbst, wie ich da so lässig sagte, ach, dann mache ich bei der ersten Gruppe noch mit, wo ich doch selbst so wenig zugehört hatte. Ich wusste doch überhaupt nicht, worum es ging, weil ich andere Dinge zu tun hatte in der ersten Sitzung. Dann habe ich es hinter mir, dachte ich, genauso lässig. Am Montag lagen meine Nerven blank. Am Nachmittag hatte ich den Text bereits ein zweites und ein drittes Mal gelesen. Ich traf mich mit einer von meinen beiden Mitreferentinnen, wir sprachen das durch und kamen zu keinem Ergebnis, wünschten uns aber Glück. Und dann versuchte ich mich Montagnacht mit einer Verschriftlichung, einem ersten Versuch für mein Gestammel. Es wurde nichts, was zu erwarten war.
Um 23:00 Uhr tat ich dann das Vernünftigste, was mir dazu einfallen konnte. Ich rief Herr Putzig an, Soziologe, Freund und erste Adresse für ein kaltes Bier im Warmen. Ich schickte ihm den Text, sagte ihm, ich sei gegen halb zwölf da und er solle doch schon mal schauen. Herr Putzig scheute sich aber. Er druckste herum; und gab dann nach. Ein Bier! Nur eins!
Als ich gegen viertel vor Zwölf bei ihm war, hatte er tatsächlich in den Text geguckt. Wir unterhielten uns, wir forschten nach diesen kleinen Haken im Text, die Bojen in der Buchstabensuppe, da wollten wir rein, eine Bresche schlagen, uns festklammern, Sinneinheiten bilden, Absätze abhaken. Wir probierten einiges aus, wir erklärten uns gegenseitig die gelesenen Passagen, wir beteten unsern Jammer bei einem Bier runter und kamen auf ein paar kleine Ansätze. Die notierte ich mir.
Ich geriet dabei natürlich immer mehr aus der Fassung. Das lag nicht am Bier, auch wenn es mehr als eins gewesen war. Ich beschwerte mich über den Dozenten, über den Autor, über die ganze verschissene Wissenschaft, die es mir nicht recht machte. Und plötzlich holte Herr Putzig einen Zettel aus seinem Portemonnaie und gab ihn mir mit den Worten, da gucke er manchmal drauf. Da stand: Reg dich nicht so auf, Herr Putzig!
Shhhhh - 24. Okt, 08:17