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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Sonntag, 4. August 2013

Die dunkle Seite im Schach

Ich spiele Schach, im Internet. Ich spiele da nur so vor mich hin. Einen meiner Spielpartner kenne ich sogar persönlich, ich kenne sogar noch mehr, aber mit denen spiele ich gerade nicht. Diesen einen Spielpartner kenne ich sogar so persönlich, wie es persönlicher gar nicht mehr geht. Ich habe bei einem Besuch seine Stehlampe zerstört und mitten in der Nacht den Staubsauger ausgelöst. Wir haben zuvor in diversen Kneipen herumgepöbelt, die Zeche geprellt und weil meine Frau nicht wusste, wo ich überhaupt war, hat sie die Polizei informiert und eine Suche einleiten lassen. Ich lag, besoffen, auf dem Sofa meines Schachfreundes, das Schachbrett erst unter dem Kopf und später davor.

So war das damals. Am nächsten Morgen hat mich seine Freundin zum Bahnhof gefahren und ich kam mir vor wie der Anwalt eines abgehalfterten Sportreporters mit zu viel Grapefruit im Kofferraum. Ich weiß auch nicht, weshalb mich Schach immer so zu Höchstleistungen bringt. Ich bin ein höflicher junger Mann, der manchmal ein wenig vorlaut ist aber im Grunde seines Herzens völlig in Ordnung. Nur beim Schach und den Begleiterscheinungen, da ticke ich nicht mehr richtig. Dann hoppel ich im Rösselsprung von Fettnapf zu Fettnapf, trete Leuten auf die Füße und benehme mich ungehörig.

Deshalb habe ich mein Schachspiel auf das Internet verlegt. Emailschach, mit 7 Tagen Zeit pro Zug, da kann eine Partie schon mal ein halbes Jahr dauern. Ist mir recht, die Entschleunigung tut mir gut. Im realen Leben spiele ich dagegen kein Schach mehr, zu schnell, außerdem gibt es niemanden mehr, mit dem ich das noch machen kann, ich traue mich nicht, habe Angst vor Mr. Hyde, den Ausbrüchen, dem Unflat und meiner Zerstörungswut.

Aber selbst im Internetschach kann ich noch böse sein, nur die Software verhindert da schlimmeres. Ich spiele nämlich gern Schach 960 oder auch Fisher-Schach, nach dem größten Ar…, huch, Anarchisten wollte ich sagen, im Schach: Bobby Fisher ist diese Schachvariante benannt. Da stehen die Figuren hinter den Bauern immer wieder anders, auf nichts kann man sich verlassen, nur dass sie alle da sind.

Ansonsten läuft bei dem Spiel alles wie gehabt, nur bei mir nicht. Ich vollführte gerade eine höchst bedenkliche Rochade, weil mir mein Gegner das Ganze vorgemacht hatte und staunte noch über die entstandene Figurenkonstellation, als sich mein Zeigefinger über der Maustaste auf den Läufer senkte und ihn anklickte. Ich nahm die Maus mit zu seinem Läufer und wollte mit meinem aktivierten Läufer seinen schlagen. Ich war sehr erbost, dass mir das Programm im Hintergrund durch Misstöne und rosa Markierungen verständlich machen wollte, dass ich diesen Zug gar nicht machen dürfte. In meinen Augen war das absolut regelkonform. Mein Läufer stand in direkter Diagonale zu seinem Läufer, ich hatte mich mehrmals darüber versichert. Ich wollte auch diagonal schlagen, ich klickte und klickte es tönte und ich wollte schon eines dieser Tickets schreiben, die man an Admins schreibt, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt oder übergangen, in der Ehre verletzt oder aus Langeweile, weil man die Administratoren in den Büros immer beim Daddeln erwischt oder beim Tickets beantworten von dubiosen Webseiten. Ich war wirklich fast so weit. Und dann merkte ich es endlich: ich war gar nicht am Zug.

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