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Montag, 2. Juli 2012

Medientext und Medienübersetzung: Dr. Nathalie Mälzer-Semlinger

Teil 10

„Die Alltagssprache ist das Badezimmer der Seele.“ Ich habe absolut keine Ahnung mehr, weshalb ich diesen Satz während der Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ mit der Gastdozentin Frau Dr. Nathalie Mälzer-Semlinger und dem Thema „Medientext und Medienübersetzung“ aufgeschrieben habe. Ich kann mich weder an den Kontext erinnern noch mit Nachdruck behaupten, dass es überhaupt einen Kontext gegeben hat. Ich erwähne das nur deshalb, weil ich trotz allem nicht um diesen Satz herumkomme, der in der Mitte des Blattes thront und die letzte inhaltliche Notiz darstellt, die ich von dieser Veranstaltung gemacht habe.

Lassen wir den Satz einfach so stehen und beginnen am Anfang meiner Aufzeichnungen: Frau Mälzer-Semlinger präsentierte sich ganz in Schwarz und hob mit sinusartiger Stimmmodulation zum Vortrag an. Die Satzenden litten dabei besonders unter ihrer abnehmenden Lautstärke. Wahrscheinlich hat sie in einer solchen „Verlustphase“ einen Satz gesagt, der weitestgehend ähnlich geklungen haben mochte wie den von mir gehörten. Frau Mälzer-Semlinger brachte aber auch Qualitäten mit, die es mir nicht unbedingt erlaubten, in den weniger lauten Satzenden abzuschalten. Es war interessant. Es ging um Übersetzungen.

Übersetzer das klingt, wenn man einmal von der heute gebräuchlichen Verwendung des Wortes absieht, wie ein Berufsstand, der sich ständig über einen Fluss bewegt, um an den jeweiligen Ufern Menschen einzusammeln und sie auf der anderen Seite wieder aus dem Boot zu lassen, Übersetzer eben. Im denkbar ungünstigen Falle bleiben Übersetzer im Gedächtnis, man könnte zum Beispiel Charon, den Fährmann des Acheron, als Übersetzer bezeichnen. In fast jedem Fall verdienen sie eine Art von Anerkennung, bleiben aber fast immer hinter wichtigeren Personen zurück. Bei den Übersetzern heutzutage sind die weitaus wichtigeren Personen die Autoren. Und so führt der Übersetzer ein Schattendasein, er kann sich zwar im Stillen rühmen, ein Werk übersetzt zu haben, kann daraus auch persönliche Befriedigung ziehen, außer mit einer Fußnote á la „kongenial übersetzt“ wird er sonst aber häufig übergangen. Der Übersetzer ist außerdem Freiberufler und verdient neben dem spärlichen Ruhm auch noch wenig Geld. Dass es überhaupt Übersetzer gibt, scheint bei diesen Voraussetzungen nicht unbedingt logische Konsequenz zu sein. Glücklicherweise gibt es auch im Feld der Übersetzungen ein paar finanziell gut ausgestattete Enklaven, die sich eine Übersetzung auch etwas kosten lassen, Theater und Kunstkataloge lohnt es sich zu übersetzen, wie Frau Mälzer-Semlinger zu berichten wusste.

Mir fallen Übersetzer eher negativ auf bzw. verbleiben aufgrund negativer Eindrücke besser im Gedächtnis. Ein Freund von mir schilderte einmal die Übersetzung eines Satzes innerhalb eines Buches, der in der Originalsprache alle Buchstaben des Alphabets enthielt. Dies geschah deshalb, damit der Protagonist einen Beleg der Schriftsprache seines Kontrahenten in der Hand halten konnte, um den Schreiber bei Fälschung anderer Schriftstücke zu entlarven. Der Satz machte überhaupt keinen Sinn schon im Original. In der Zielsprache machte er aber noch weniger Sinn, weil er nicht mehr alle Buchstaben des Alphabets enthielt und dem Leser konnte sich dieser perfide Zusammenhang überhaupt nicht mehr erschließen. Über all die übersetzten Bücher, die ich gelesen habe und all die Bücher, die übersetzt wurden und werden, die ich nicht gelesen habe, konnte ich mir dieses Detail merken. Ich fühle mich selbst ein wenig schlecht dabei. Ein weiteres Detail blieb haften: ich las vor nicht allzu langer Zeit den Brautigan-Roman „Träume von Babylon“, übersetzt von Günther Ohnemus, und da fiel mir auf, dass er das wahrscheinlich originale Centstück oder den Penny mit Pfennig übersetzt hat. Schrecklich fand ich das, behielt die Beobachtung aber bis eben für mich. Als ich neulich durch Zufall auf Dreisat "Kommissar La Bréa" einschaltete („Tod an der Bastille“) fiel mir ebenfalls ein schrecklicher Schnitzer ein. Bonjour wurde als Begrüßung beibehalten, ok – das hat Ohnemus übrigens in pekuniären Angelegenheiten bis auf den genannten Fauxpas ansonsten ebenfalls getan – was mich dann überraschte: es wurde dem Kommissar eine englische Vokabel in den Mund gelegt. Er rief lauthals verkündend zum „Teamtalk“ auf, der in einer halben Stunde beginnen sollte. Den Franzosen, der das über die Lippen bekommt, wenn er mit Franzosen spricht, den möchte ich sehen!

Eigentlich wollte ich gar nicht meckern. Eigentlich muss ich den Übersetzern dankbar sein, denn ich beherrsche zwar mehrere Sprachen in ausreichender Qualität, um nicht zu verhungern, aber zum Übersetzen, geschweige denn Bücher lesen und verstehen, würde es nicht reichen. Was ich dann alles verpasst hätte, wenn es Günther Ohnemus, Carl Weissner, Thomas Lindquist, Burkhart Kroeber, Wolfgang Farkas und viele andere mehr nicht gegeben hätte! Und irgendwie bin ich jetzt doch um diesen Satz herumgekommen.

Teil 12

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Zuletzt aktualisiert: 24. Jan, 07:13

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