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Wort für Wort

Freitag, 13. Mai 2016

Unvermutetes knorkeln

Da geht man gerade vom zweiten Obergeschoss in das erste hinunter und bleibt plötzlich mitten auf halber Treppe stehen, weil einem das Wort „knorkeln“ in den Sinn kommt. Noch dazu einen Sessel tragend, auf dem ein Kissen liegt, auf dem wiederum ein ausgedienter Übertopf gebettet ist. Schon allein die Vorstellung, dass so etwas überhaupt möglich ist, verschlägt einem die Sprache. Da muss man gar nicht mehr wissen, was das Wort überhaupt bedeutet.

Neben den ganzen anderen Umständen muss der Sinngehalt dieser höchst ungewöhnlichen Vokabel verblassen, zumal es für alles andere eine Erklärung gibt. Ich tat das Kissen auf den Sessel, weil ich keine Hand mehr frei hatte. Den Übertopf tat ich aus dem gleichen Grund auf das Kissen, nicht zwischen Kissen und Sessel, wo er geschützter gelegen hätte, nein oben drauf. Ich hoffte, die Sache erledigt sich vielleicht noch von selbst, denn alle drei Dinge sollte ich in den Keller bringen. Der Übertopf hätte mir aber auch kaputt gehen können auf dem Weg dorthin.

Dinge, die man in den Keller tut, verbleiben da häufig bis zum Um- bzw. Auszug, wo sie dann entweder in den nächsten Keller verfrachtet werden oder für kurze Zeit in der neuen Wohnung bleiben, um dann wieder im Keller zu landen, außer sie fallen zwischendurch runter. Unser Übertopf steht jetzt neben einem anderen ungeliebten Übertopf in einem Regal im Keller. Ich sehe mich ihn dort bereits erneut herausnehmen und irgendwohin schaffen, in einen anderen Keller, denke ich.

Obwohl ich noch gar nicht im Keller war zu diesem Zeitpunkt, denn ich ging ja gerade erst nach unten, muss sich mein Geist in vorauseilendem Gehorsam in denselben versetzt haben, um dort im Unterstübchen meines Oberstübchens das Wort „knorkeln“ heraus zu tun. Ich weiß natürlich, was es bedeutet, habe es früher sogar recht häufig benutzt. Sie glauben ja gar nicht, was man so alles knorkeln kann. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht nicht um die Bedeutung, sondern um den Umstand, wie dieses Wort neben all den erklärbaren Umständen auf halber Treppe zwischen zweitem und erstem Obergeschoss, während ich bewaffnet mit einem Sessel, einem Kissen und einem ausgedienten Übertopf auf dem Weg in den Keller war, in meinen Kopf geriet. Ich schätze, damit hat noch niemand gerechnet. Für so etwas können weder die Quantenphysik noch die Relativitätstheorie herhalten.

Freitag, 6. Mai 2016

Bürokratisierung - alternativlos?

Schlaf ich jetzt das Stündchen oder stunde ich das Schläfchen? Erst mal gucken, ob man das überhaupt so sagen kann. Bei stunden findet sich bei der Bedeutungsübersicht das schöne Wort prolongieren. Bei den Synonymen steht es erst an letzter Stelle mit dem in Klammern gehaltenen Zusatz „(Wirtschaft)“. Das bedeutet wohl, dass vor allem in der Wirtschaft prolongiert wird.

Bei Prolongation, denn darauf kam ich als nächstes, was ich erstaunlich fand, denn ich hätte ja auch auf Prolongierung kommen können, steht, dass es dabei um die Verlängerung einer Laufzeit geht. Bei Prolongierung steht, ich solle bei Prolongation nachsehen. Darauf kam ich übrigens, weil ich bei Prolongation, bzw. eigentlich schon bei prolongieren, an Prokrastination denken musste, die ja auch nicht Prokrastinierung heißt. Die Prokrastinierung gibt es im Duden wirklich nicht, nicht einmal der Hinweis, ich solle woanders schauen. Halt, das stimmt nicht, Duden fragt mich, ob ich Bürokratisierung meine. Ich soll also doch woanders schauen.

Die Bürokratisierung wird in der Bedeutungsübersicht nur mit Bürokratisieren/Bürokratisiertwerden erklärt. Synonyme gibt es dafür nicht. Man könnte ja Sesselpupserbehinderung dazu sagen. Dummerweise kann dem Wort nicht entnommen werden, ob die Behinderung durch Sesselpupser ausgelöst wird oder der Sesselpupser eine spezielle Behinderung darstellt. Da muss ich nochmal drüber nachdenken. Ich habe mich jedenfalls entschieden. Ich lege mich jetzt hin, bevor mir hier noch ein Pups rausrutscht in meinem Sessel.

Mittwoch, 13. April 2016

Der Niednagel am erhobenen Zeigefinger der Rechtschreibung

Suchen und finden gehören eindeutig zusammen. Suchen bezeichnet den Prozess, finden das Ergebnis. So einfach, so klar. Diffus wird das Ganze erst, wenn eines von beidem, also entweder der Prozess oder das Ergebnis, in seiner eigentlichen Relevanz herabgesetzt wird. Dies kann aus unterschiedlichen Gründen geschehen.

Goethe schrieb einmal: „Ich ging im Walde/So vor mich hin,/Und nichts zu suchen,/ das war mein Sinn.“ Überschrieben hat er diesen bekannten Anfang seines Gedichts mit dem Titel „Gefunden“. Das lyrische Ich findet ein Blümlein, obwohl ihm der Sinn nach Suche gar nicht stand.

In der heutigen Zeit ist die Suchmaschine ein längst im allgemeinen Sprachgebrauch verankerter Begriff. Eine Findmaschine gibt es nicht. Es gibt aber eine Windmaschine. Eine Windmaschine bezeichnet in der Regel eine unter dem gebräuchlicheren Namen Ventilator anzutreffende mechanisch/elektrisch betriebene Vorrichtung zur Erzeugung eines gerichteten Luftstroms.

Diese äußerst ungeschickte Einleitung sollte erläutern, wie der hier Schreibende zu seinen Forschungsergebnissen kommt. Mir fiel leider nichts Besseres ein. Trotzdem ist das heute geschilderte Problem ein wirklich drängendes. Es geht heute um den Niednagel und seinen Artverwandten den Nietnagel.

Schon in der Schreibung und der sonst sofort ins Auge springenden roten, gezackten Linie unter jedem falsch geschriebenen Wort in meinem hier nicht namentlich erwähnten Textprogramm, könnte vermutet werden, dass es sich um ein und denselben Gegenstand handelt, einmal richtig und einmal falsch geschrieben. Eine Suche im Internet mit beiden Schreibungen bestätigt diesen Verdacht, erläutert dem Sucher aber nicht, warum das hier namentlich nicht erwähnte Textprogramm den Fehler in der Schreibweise nicht anzeigt. Sogar die hierfür nicht namentlich erwähnte Suchmaschine, die zu Rate gezogen wurde, fragt mich bei Eingabe der falschen Schreibweise nicht, ob ich nicht eher den Begriff mit der richtigen Schreibweise gemeint haben könnte.

Es gibt sie nämlich, die richtige Schreibweise. Niednagel schreibt sich mit d und nicht t. So steht es im Duden, so ist es Gesetz. Wo kämen wir denn hin, wenn es sich bei der Rechtschreibung nur noch um eine statistische Größe handeln würde, deren Mittelwert als Richtlinie, oder wie in diesem speziellen Fall, deren unterschiedliche Schreibungen keinen Alarm mehr auslösten, wie bei der namentlich nicht genannten Suchmaschine und dem ebenfalls inkognito auftretenden Textprogramm tatsächlich passiert.

Wussten Sie übrigens, dass der Niednagel von Neid kommt und seine Ursache im neidvollen Blick eines anderen auf den Niednageltragenden hat? Das ist ja auch ein wirklich seltsamer Umstand, denn nicht derjenige wird bestraft, der neidisch blickt, sondern derjenige, der dem Neid ausgesetzt ist. Und das, wo doch der Neid (Invidia) als Todsünde gilt. Da erfährt der Neider vorerst Straffreiheit und der Leidtragende auf Erden ist der neidvoll Angeblickte.

Tja, das war wieder viel Wind um nichts oder, um im Bild zu bleiben, der vielzitierte Sturm im Wasserglas. Ganz ohne Ventilator. Dafür mit Goethe.

Freitag, 12. Februar 2016

Lutzen

Weil sich meine Masterarbeit um digitale Literatur dreht, habe ich natürlich auch viel damit zu tun. Vor geraumer Zeit schon wurde ich auf das Werk von Johannes Auer aufmerksam, der mit seiner Search-Trilogie ein Projekt weiterführte, welches bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert seinen Anfang nahm.

Theo Lutz hatte seinerzeit für den Zuse Z22 einen Poesiegenerator programmiert, der sich füllte aus einem Repertoire von 16 Subjekten und 16 Prädikativen (Adjektiven), die zu jeweils neuen Sätzen verbunden wurden. Die Subjekte und Prädikative entstammten dem Romanfragment „Das Schloss“ von Franz Kafka. Johannes Auer hat dies nachprogrammiert und stetig erweitert.

Verbunden wurden diese beiden Satzglieder natürlich mit „ist“, schließlich sollte ein Satz dabei herauskommen, der Subjekt, Prädikat und Prädikativ enthält. Ein Beispiel: Die Sonne ist schön. Um das Ganze ein wenig spannender zu machen, wurden immer zwei dieser Elementarsätze in einer Zeile dargestellt und mit einander verbunden, entweder durch ein „und“, ein „oder“ oder „so gilt“. Am häufigsten jedoch steht ein Punkt zwischen beiden Sätzen. Hinzu kommen noch die Partikularisatoren „ein“ und „kein“ mit ihren jeweiligen vom Subjekt abhängigen Geschlechtern sowie den Generalisatoren „jeder“ und „nicht jeder“. Das Geschlecht des Subjekts war mit angegeben. So ein Satz könnte also lauten: Ein Hund ist dreckig und nicht jede Katze ist blau.

Nun kann man dort auf der Seite statt der Subjekte und Prädikative aus Kafkas „Schloss“ auch eigene eingeben und zu Paarsätzen mischen lassen. Die Wörter müssen nur ersetzt werden, und bei den Substantiven (Subjekten) muss das Geschlecht angegeben werden. Und dann kann man loslutzen. Ich habe die Wörter durch Bestandteile von Sprichworten ersetzt, manchmal sogar Sprichworte benutzt, die sich des gleichen Schemas bedienen, wie zum Beispiel: Reden ist silber, Schweigen ist gold.

Nachdem alle Felder gefüllt sind, kann losgelutzt werden. Die Maschine spuckt dann 35 Paare von Elementarsätzen aus, die in meinem Fall durchaus Altbekanntes, vor allem aber neue Verbindungen aus diesen zum Teil schon hohlen Phrasen entstehen lassen. Hier ein Beispiel:


Hier zu sehen, die Worteingaben, die ich gemacht habe.


Und hier dann das Ergebnis.

Das Original befindet sich hier.

Donnerstag, 4. Februar 2016

Allerhand zwischen Schuft und Schurke

In meinem etymologischen Wörterbuch passen zwischen Schuft und Schurke zwei zweispaltige, dicht beschriebene Buchseiten, nicht zwiespältige. Da stehen dann so schöne Wörter wie Schuh, Schuld Schund und Schuppe. Das mit Abstand schönste Wort dazwischen ist aber schurigeln. Schurigeln ist ein so interessantes Wort, dass ich beim Lesen der Erklärung erst einmal nach einer Abkürzung schauen musste, die mir als Abk., sprich Abkürzung, für eine Sprache bislang vollkommen unbekannt war. Oft trifft man ja solche Sachen wie ahd. für althochdeutsch, mhd. für mittelhochdeutsch, frz. für französisch oder ugs. für umgangssprachlich.

Schurigeln ist umgangssprachlich für schikanieren, welches leider nicht zwischen Schuft und Schurke steht. Aber da kann ja auch nicht alles stehen. Immerhin findet sich dort wieder eine bekannte Abkürzung, nämlich frz., was bedeutet, dass schikanieren aus dem Französischen entlehnt ist. Die Abkürzung unter schurigeln, die ich nicht kannte, geht so: mdal. Mdal. steht für mundartlich. Mundartlich ist ja keine Abkürzung für eine Sprache oder ihre Vorgänger. Mundart ist ein anderes Wort für das aus dem Griech. entlehnte Wort Dialekt. Es entstand im 17. Jahrhundert als Ersatzwort für Dialekt, vermutlich weil ein paar Sprachpuristen daran gelegen war, die teutsche Sprache rein zu halten.

Zwischen Schuft und Schurke steht aber auch ein äußerst hässliches Wort: Schule. Wie alle „hässlichen“ Wörter ist es letztendlich aus dem Griech. entlehnt (siehe ->Dialekt). Die Ideen, dieses Wort ersetzen zu wollen, waren alle nicht so erfolgreich, deshalb gehen die Kinder noch heute dahin. Erfolg allerdings haben diejenigen unter den Kindern, die auf die Penne gehen. Denn dieser Ausdruck ist ein anderes Wort für die höhere Schule. Aufgrund seiner eingeschränkten Anwendung konnte sich dieser Begriff leider nicht als vollwertiges Ersatzwort durchsetzen.

Im Übrigen ist der Begriff Penne seiner Herkunft nach durchaus zwiespältig, nicht zweispaltig. Denn darin steckt das aus dem Lat. entlehnte Pennal. Damit wurde seit dem 17. Jahrhundert nicht ohne spottenden Unterton der angehende Student, der Schüler einer höheren Schule, bezeichnet, der sein Schreibgerät (Pennal=Federbüchse) immer bei sich trägt. Wirklich plausibel wird einem das aber erst durch die Ableitung Pennäler, die darauf zurückgeht.

Die naheliegendere Bedeutung, nämlich dass Penne von pennen kommt, ist heute viel geläufiger, wenngleich auch hier nur die wenigsten wissen, woher das Wort ursprünglich kommt. Es bezeichnete ein einfaches Nachtquartier, vielleicht ist es sogar ein anderes Wort für Gefängnis gewesen. Es kommt aber mit Sicherheit aus der Gaunersprache, eine Sprachbezeichnung übrigens, die nicht abgekürzt werden kann. Dafür kann aber Rotwelsch abgekürzt werden, mit rotw., aus dem Rotw. kommt nämlich das Wort Gauner. Sie können aber auch Schuft zum Gauner sagen oder Schurke.

Donnerstag, 28. Januar 2016

Gelungene Integration am Beispiel Mauer

Heute soll es einmal um den harten und steinigen Weg der Integration gehen, der Integration von Fremdwörtern. Fremdwörter sind Wörter, die aus anderen Kulturkreisen, mindestens aber aus anderen Sprachen in unseren gemütlichen Sprachschatz eindringen und dort für einigen Wirbel sorgen. Das läuft nicht immer reibungslos ab, ist mühsam und oft nicht erfolgreich.

Diese Integrationsprozesse werden im Übrigen nicht einfach so hingenommen, sie erfahren immer wieder Ablehnung durch bestimmte Gruppen in der Bevölkerung, darauf kommen wir noch zu sprechen. Häufig jedoch überwiegt der Nutzen, den die Integrationswilligen davon haben, und damit meine ich nicht nur das zu integrierende Fremdwort, sondern vor allem diejenigen, dessen Sprachschatz sich durch die Einführung solcher Wörter erweitert, ja bereichert.

Als Beispiel einer gelungenen Integration dient uns heute das Wort Mauer. Im Gegensatz zum Zaun, welches in der heutigen Integrationsdebatte immer mal wieder auftaucht, handelt es sich bei der Mauer nicht um ein Erbwort. Erbwörter sind Wörter, deren Historie weit zurück verfolgbar ist, bis hin zu einer indoeuropäischen Wurzel. Sie gehören zum sogenannten Erbwortschatz unseres lexikalischen Systems, also dem gesamten Wortschatz, auf den wir zurückgreifen.

Man sieht es der Mauer nicht an, das Wort sieht aus wie ein typisches, deutsches Wort, es verfügt weder über besondere Laute, die es bei uns nicht gibt, wie zum Beispiel in Garage. Es trägt eine Endung wie sie viele urdeutsche Wörter besitzen, wie zum Beispiel Trauer oder Dauer. Es dekliniert sich unauffällig, es ist vollständig integriert, könnte man sagen. Aber es ist eben kein Erbwort.

Die Mauer gab es im alten Germanien nicht. Erst die Römer führten diese Bauweise ein, indem sie die aus Stroh und Lehm gebaute Wand durch Gestein ersetzten. Die Germanen schauten sich das ab, und weil sie keinen eigenen Begriff dafür hatten, übernahmen sie nicht nur die äußerst stabile Bauweise, sondern auch gleich noch das Wort dafür. Murus heißt es im Lateinischen und daraus wird mura im Althochdeutschen (Längenzeichen und Betonungen habe ich zur besseren Lesbarkeit weggelassen).

Doch wieso nahmen die Germanen nicht das Wort Wand, um damit auszudrücken, was sie meinen? Schließlich geschieht dies heute durchaus, insbesondere für Teile eines Hauses. Weil die Wand ursprünglich von Winden kommt und mit dem Gewundenen, Geflochtenem einer Wand hat die Mauer nun wirklich nichts gemein. Heute wissen das nur noch wenige und plötzlich ist Wand ein durchaus gängiges Synonym für Mauer. Dem alten Germanen wäre dies wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen.

Die alten Germanen hätten sich allerdings auch sehr gewundert, was aus ihrer Sprache heute geworden ist. Die Sprachwissenschaft beschäftigt sich ja von Haus aus eher mit dem Weg zurück, weshalb es nicht schwer gefallen ist, den Begriff Mauer mit dem latein. murus, dem ahd. mura, dem mittelhochdeutschen mure bzw. muer zu der heutigen Mauer zurückzuverfolgen. Die Veränderungen, die das ahd. mura dabei auf sich genommen hat, sind auf Integrationsbemühungen zurückzuführen, die auf den ersten Blick nicht von ihm selbst ausgingen, sondern von seiner neuen Umgebung der ahd. Sprache von ihm abverlangt wurde. Es hat sie aber mitgemacht.

Bei der Mauer war das ein Sprachwandel von großer Anstrengung, den nicht nur das Fremdwort mura durchmachen musste, sondern dem auch alle anderen Wörter des Althochdeutschen unterlagen. Da schwächt sich der unbetonte Schlussvokal von a zu e ab, das Geschlecht wird weiblich, dann kommt noch eine Lautverschiebung, Diphthongierung, die Flexion wird der von Erbwörtern wie Trauer angepasst, erste Ableitungen wie mauern entstehen, neue Bedeutungen werden hinzugefügt, das Substantiv Mauer wird groß geschrieben und, und, und. Wie ein altes Schifferklavier wurde das Wort zusammengepresst und auseinander gezogen, bis es zu dem wurde, was wir heute kennen und dem wir nicht mehr ansehen, woher es einmal kam.

lat. murus > ahd. mura > mhd. mure > mhd. mur > fnhd. muer > heute Mauer

Dieser Prozess hat mehr als tausend Jahre gedauert. Das geht nicht von jetzt auf gleich. Das klappt nicht immer und oft gibt es Widerstände, Sprachpuristen zum Beispiel. Ihnen muss man aufmerksam zuhören, denn nicht alles, was sie an Einwänden vorbringen, ist als dumm oder reaktionär abzutun. Manches erschließt sich erst viel später, manches ist sogar sinnvoll, schöpft aus dem Vollen der vielen Möglichkeiten, die unsere Sprache ohnehin bietet.

Man denke dabei nur einmal an den Sprachpuristen Joachim Heinrich Campe und seinem Wörterbuch von 1801 und 1813. Das Kompositum Festland für das Fremdwort Kontinent ist heute unhinterfragter Bestandteil des deutschen Wortschatzes. Anderes hat sich nicht durchgesetzt, wie zum Beispiel Urgemenge für Chaos. Und über manches, was einst nicht in die Zeit gepasst hat, lohnt es sich heute noch einmal nachzudenken, wie zum Beispiel den damaligen Versuch den Soldaten durch Menschenschlächter zu ersetzen. Nicht weil der Begriff jetzt besser passen könnte als einst, sondern einfach aus einer pazifistischen, grundsätzlich zivilisierteren Grundhaltung heraus, der wir uns ja immer wieder gegenseitig versichern, deren Fortschritt wir uns gerne auf die Fahnen schreiben, der uns von den „Wilden“ unterscheidet.

Heute ist aus dem Fremdwort Mauer längst ein Lehnwort geworden, das heißt, es ist dem Kern unseres lexikalischen Systems, dem Erbwortschatz, erheblich näher gekommen. Der Unterscheidung zwischen Lehnwortschatz und Erbwortschatz ist häufig nur noch mit Hilfe der Etymologie auf die Schliche zu kommen. Das ist aber keineswegs bedauerlich.

Freitag, 8. Januar 2016

Die neuneuhochdeutsche Diphthongierung

Heute befassen wir uns einmal mit dem Lautwandelphänomen, welches in der Fachsprache Diphthongierung genannt wird. Um es noch ein wenig genauer zu formulieren: mit der neuneuhochdeutschen Diphthongierung. Die neuneuhochdeutsche Diphthongierung darf nicht mit der neuhochdeutschen Diphthongierung verwechselt werden, die einerseits viel früher stattfand und außerdem ein viel breiteres Spektrum an Vokalen umfasste, als es bei der neuneuhochdeutschen Diphthongierung der Fall ist – jedenfalls sind aufgrund verschiedener anderer Probleme, mit denen sich die moderne Sprachwissenschaft heutzutage auseinanderzusetzen hat, noch nicht so viele Beispiele belegt. Die gendergerechte Sprache frisst derzeit viele Ressourcen, weshalb so manch anderer Zweig leider sträflich vernachlässigt wird.

Aber diesem Umstand tragen wir heute Rechnung und fügen der neuneuhochdeutschen Diphthongierung eines der bemerkenswertesten Beispiele bei. Doch zuallererst muss geklärt werden, worum es sich denn bei der Diphthongierung überhaupt handelt. Diphthonge sind Vokale, die aus zwei Vokalen bestehen, die im Idealfall nicht die gleichen sind. Häufig sind damit Umlaute wie ä,ö,ü gemeint, aber auch au, ei und eu gehören in diese Gruppe. Ein immer wieder beobachtetes Phänomen ist hierbei die sogenannte Verschiebung ehemaliger Langvokale zu diesen sogenannten Diphthongen. hier ein paar Beispiele:

aus dem mittelhochdeutschen mîn (i:, also ein langes i) wird ein mein (ei=Diphthong)

aus dem mittelhochdeutschen hûs (u:, also ein langes u) wird ein Haus (au=Diphtong)

Diese Diphthongierung ist für das Mittelalter durch etliche schriftliche Zeugnisse belegt. Sie nahm im 12. Jahrhundert ihren Ausgang und ist längst abgeschlossen. Deshalb wurde die neuhochdeutsche Diphthongierung um die neuneuhochdeutsche Diphthongierung ergänzt. Normalerweise lassen sich die Forscher mindestens 500 Jahre Zeit, bis sie sich solchen Phänomenen widmen – Jacob Grimm hat sogar mehr als 600 Jahre verstreichen lassen – allerdings sind richtungweisende Einzeluntersuchungen durchaus schon früher angebracht, um nachfolgenden Forschergenerationen ein hinreichendes Material zur Unterfütterung ihrer Thesen zu liefern. Dies erfolgt hiermit.

Mit dem Abklingen der Aufklärung setzte, wie es in vielen Bereichen der gesellschaftlichen Entwicklung nachweisbar ist, eine Verklärung ein, die im sprachlichen Diskurs häufig mit dem Begriff der Romantik gleichgesetzt wird. Im politischen Diskurs z.B. folgte auf die Revolution die Restauration, das Beispiel sei hier angefügt, um den gesamtgesellschaftlichen Kontext, um den hier geht, noch einmal ausdrücklich zu betonen. Diese Verklärung hatte zur Folge, dass vieles, was als alt und rückständig galt, plötzlich unter einer rosaroten Brille betrachtet wurde und sich sehnlichst zurückgewünscht, mindestens aber glorifiziert wurde.

Die Verklärung, um die es uns heute geht, ist die Verklärung des Mittelalters, seiner Mystifizierung und Glorifizierung, die bis heute ungebrochen scheint. Scheint, denn im sprachlichen Kontext gibt es bereits erste Zäsuren, die auf ein baldiges Ende schließen lassen. Spätestens wenn die nächsten Atombomben gefallen sind, werden Mittelalterfeste und die darauf stattfindenden Spiele so unmittelbar in unser Handeln rücken, dass wir das „Spielen“ wohl dem eigenen Überleben zuliebe unterlassen – aus Spaß wird Ernst, sozusagen. Aber wir sollten die Dinge nicht allzu schwarz sehen, auf Verklärung folgt auch immer wieder eine Phase der Aufklärung, auf dunkel folgt hell, auf Restauration Revolution.

Doch zurück zu unserem Beispiel. Es geht um mystische Wesen wie Drachen, Zwerge und Feen, die in der Romantik eine zweite Konjunktur erlebten. Insbesondere die Feen sind hier zu nennen, denn sie sind sozusagen der Stein des Anstoßes all unserer Überlegungen.

Wie bereits erwähnt, ist deren Aufkommen in der Romantik stark angewachsen, geht allerdings bei genauerer Betrachtung bereits wenige Jahrzehnte später bereits wieder zurück und macht Platz für Neues. Dies hängt vor allem mit der industriellen Revolution zusammen, die hier in weiten Teilen Deutschlands einsetzt und deren Restauration noch immer nicht überwunden ist (man bedenke nur die Entwicklung des Verbrennungsmotors).

Sprachlich schlug sich dies wie folgt nieder:

aus dem romantischen Feenstaub (e:, also ein langes e) wurde der Feinstaub (ei=Diphthong)

Ich hoffe, ich konnte den geneigten Lesern hiermit ein profundes Beispiel neuesten Sprachwandels nahe bringen. Beim nächsten Mal befassen wir uns mit der sogenannten Polyphthongierung und klären die Herkunft des allseits bekannten Ausrufes aua.

Dienstag, 5. Januar 2016

Ohne Worte

Montag, 4. Januar 2016

Der Handlauf

Heute wieder ein Wort, ein zusammengesetztes, von welchem allerdings der hintere Teil der interessantere ist. Eine auf den ersten Blick ganz unscheinbare Komposition. Fast möchte ich sie harmlos nennen, aber das stimmt natürlich nicht. Ich habe mich erkundigt, bin sozusagen dem Kern auf den Grund gegangen und fand heraus, dass das Verbalsubstantiv Lauf eine äußerst produktive und kreative Verbindung darstellt. Fast könnte man es mit einem Suffix vergleichen, zumal es auch noch kürzer ist als so manche Endung. Man denke nur einmal an das Suffix –ateur, der einzig und allein männliche Berufsbilder darzustellen in der Lage ist.

Aber bleiben wir beim Kern. Der Lauf bildete sich aus dem Verb laufen, deshalb ist es ein Verbalsubstantiv, so sagt es mein etymologisches Wörterbuch. Schaut man bei Wikipedia findet man auch noch Verbalnomen, das wäre dann allerdings „das Laufen“. Das wollen wir natürlich nicht, das klingt ja auch total blöd – das Handlaufen. Die Nase kann laufen, die Hand doch nicht, die kann doch gar nicht laufen. Ha! Und jetzt haben wir es! Was läuft denn dann da, wenn es die Hand nicht ist?

Da läuft der Lauf, auf dem die Hand ruht. Nur ruht sie nicht, sondern bewegt sich, sie wird sozusagen schwebend darüber hinweggeführt, immer bereit sich sogleich festzuhalten, sollten es die Umstände verlangen. Dabei ähnelt der Handlauf dem Gewehrlauf, nur dass hier niemand will, dass sich darin etwas festhält. Und eigentlich ähneln sich die beiden Läufe auch wieder nicht, denn es müsste ja eigentlich eher Gewehrkugellauf heißen, wenn sie sich ähneln sollten, denn die darin oder darauf zu führenden Objekte wären ja einerseits die Hand und andererseits die Gewehrkugel. Also wieder nichts. Da können wir ja gleich die Schippe aufs Korn nehmen.

Interessant ist aber auch der Vorderlauf, der weidmännisch ausgedrückt den Körperteil darstellt, mit dem das Tier vorn läuft – im Gegensatz zum Hinterlauf, mit dem es hinten läuft. Bei uns Menschen wäre der Vorderlauf der Arm, an dem die Hand angeschlossen ist, wobei wir natürlich bis auf wenige Ausnahmen auf die Benutzung unserer Hände beim Laufen verzichten. Allerdings, wenn wir stolpern und nach vorn fallen, dann benutzen wir schon mal unsere Vorderläufe, aber nur wenn es keinen Handlauf gibt, an dem wir uns festhalten können.

Statt Handlauf können Sie auch Geländer sagen. Wikipedia schreibt dazu, es handele sich dabei um eine Absturzsicherung oder ein Personenführungselement. Da wir also ungern unsere Vorderläufe gebrauchen wollen bei einem Absturz, lassen wir uns gern von einem Handlauf führen und gelangen so sicher wie eine Gewehrkugel an unser Ziel – den zweiten Stock. Sollte der Handlauf übrigens einmal zu kurz ausfallen, dann handelt es sich dabei um einen Griff, das ist ebenfalls ein Verbalsubstantiv, kein -nomen! Guten Tag!


Handlauf oder Griff?

Freitag, 25. Dezember 2015

Siehe unten oder Am Schluss die Einleitung

Ich wollte gerade nach einer etymologischen Verbindung zwischen Einleitung und Einladung fahnden, als mir mein Wörterbuch beim Blättern ins Stocken geriet. Eigentlich stockte es nicht, wie Blätter ja selten zum Stocken neigen, nein es stellte sich nur verstockt, indem es mir eine Seite verweigerte, nein zwei, denn die Seiten klebten zusammen.

Ich bearbeitete die beiden Seiten am Rand voneinander und nach kurzem Ziehen und Reißen, ließ sich der Zwischenraum, gelegen zwischen „erleben“ und „Erz“, wieder anschauen. Rechts wie links erhob sich ein Speiserest, mehr rechts als links. Links war nur ein kleiner Fleck und ein minimaler Abrieb im Papier, aber rechts, da saß der ganze Batzen.

Eine eingehende Untersuchung brachte keinen Geruch zutage. Kosten wollte ich davon nicht, ich hatte schon genug erlebt. Außerdem war ich deshalb ja gar nicht hier, ging es mir doch um zwei grundlegend verschiedene Wörter, die ich noch dazu auf diesen beiden Seiten gar nicht finden konnte. Trotzdem gaben mir die Seiten zu denken. Sie bestätigten meine Annahme von der richtigen Suche, denn was ich hier auf dieser Seite vor allem fand, waren Verweise.

Verweise sind in meinem etymologischen Wörterbuch Zeichen ins Himmelwärtige. Angezeigt mit einem Pfeil, der nach oben deutet und genau nicht das Wort darüber meint, sondern einen imaginären Punkt im Buch, an dem ein Wort zu finden ist, welches das hier genannte ohne Präfix „er-“ ist. Erleben findet man demnach nicht bei der Erklärung „erleben“, sondern bei „leben“.

Ich suchte auch gar nicht bei Einleitung oder Einladung, ich suchte bei leiten und laden. Weil ich mir schon dachte, dass mir, wenn ich das Wort überhaupt finden sollte, denn das Präfix „ein-“ ist ja genauso produktiv wie das Präfix „er-“, dann findet sich die Erklärung bestimmt an dem Ort, wo das „ein-“ nicht steht. So war es auch.

Im Übrigen sind die Pfeile manchmal auch waagerecht angelegt und zeigen nach rechts auf das nach ihnen abgedruckte Wort, unter dem der Eintrag zu finden ist. Mir persönlich kommt dies ja als die elegantere Lösung vor, als den Pfeil nach oben zeigen zu lassen, zumal oben ja auch als zurück zu deuten möglich wäre, ähnlich wie der Formulierung „siehe oben“ (s.o.). „Siehe oben“ kann sich bei mehrseitigen Texten durchaus auf Vorangegangenes beziehen, was auf der gleichen Seite gar nicht zu finden ist. Ähnlich verhält es sich mit „siehe unten“ (s.u.). Dann guckt man auf dem Blatt und findet nichts, aber der Hinweis deutet zumindest an, dass der Teil des Textes noch nicht erreicht ist, in dem man dem Hinweis nachgehen kann.

Zeigt also der Pfeil nach oben, so könnte er vermitteln, das Wort weiter hinten im Buch zu finden, was bei „erleben“ natürlich überhaupt nicht stimmt, denn „erleben“ steht natürlich vor „leben“. Das meinte ich mit dem Pfeil. Zeigt der Pfeil auf das Wort, indem er sich statt nach oben nach rechts wendet, so wird viel eindeutiger geklärt, wohin sich der Leser wenden soll. Das ist natürlich nur meine Meinung und soll hier niemanden, der es anders sieht davon bekehren. Ich hatte ja auch eigentlich was ganz anderes vor.

Dieser blöde Fleck, der nach nichts riecht und den ich mich nicht getraue anzulecken, hat mich hierhin geführt. Dabei wollte ich doch nur einer schönen Formulierung folgen, die ich während eines Seminars hörte, nämlich, dass die Einleitung auch eine Einladung sein sollte, eine Einladung weiterzulesen. Deshalb schaute ich danach, ob diese Wörter irgendwie miteinander verwandt wären.

Sind sie nicht. Deshalb ist die Einleitung auch am Ende und keine Einladung, auch wenn sich das wirklich gut gemacht hätte. Schade.

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