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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Montag, 3. Dezember 2012

Das freud'sche Gehör

Am Samstag war vor der Feier noch Theater angesagt. Ich kam bereits müde zur Arbeit und der Aufbau des Stückes belebte mich nur zeitweise. 8 nummerierte Stühle, 6 Gehstöcke und ein in Sonntagsschönschrift fabrizierter Schriftzug nebst Alpenveilchen. Die Schrift gefiel erst mir nicht und später war es egal, weil das missratende Teil sowieso ausgetauscht wurde. Die Blume gefiel mir auch nicht, also neu gezeichnet. Dann doch nicht, lieber noch ein bisschen Schrift, „so hoch und runter in Wellen, bis da“. Achso und lauter Zettel wurden da und dort an Wände Instrumente, Bänke usw. geklebt.

Ich schaute mir das Stück nicht an, ich haderte mit mir, befürchtete aber, ich könnte danach zu müde für irgendwas sein. Als ich mich unten bei den Requisiten einfand, wuselten die beiden Damen, verantwortlich für die Hauptbühne, gerade aus dem Büro. Ich erinnerte mich, eine Lautsprecherbox tönte vom 3. Zeichen.

Es dauerte nicht lange, da kamen die beiden wieder. Dann gab es kurz was zu essen und schon tönte der Lautsprecher erneut: „Requisite, Techniker und Schnürmeister für Bild 10! Requisite, Techniker und Schnürmeister für Bild 10!“ Es war ein einziges Auf und Nieder. Ich saß dabei und hatte nichts zu tun. Mich sollte es erst wieder geben, wenn mein Stück auf der Bühne oben ausgespielt hätte. Bis dahin döste ich im Büro herum.

„Schnürmeister und Technik für Fluggeschirr, bitte! Techniker und Schnürmeister für Fluggeschirr!“

„Maskenbildner für Frau …, bitte! Maskenbildner für Frau…!“

„Requisite und Technik für Umbau, bitte! Requisite und Technik für Umbau!“

„Requisite, Schnürmeister und Technik für Bild 12, bitte! Requisite, Schnürmeister und Technik für Bild 12!“

„Kaffee für die Requisite, bitte! Kaffee für die Requisite!“, hörte ich als letztes, dann musste ich dringend in die Kantine!

Freitag, 16. November 2012

Die Rückseite des Weltenbretts

Auf 4a lag ein abgetrennter Frauenkopf, dem bereits das Gesicht abbröckelte wie Putz von der Wand, nur das blonde Haarteil war immer noch perfekt drapiert, Haarfestiger vielleicht. Ich ging kleine Bögen, fast kreisförmig folgte ich dem rechteckigen Treppenhaus hinauf, dessen Mitte von einem Fahrstuhl gefüllt war, der hinter einer Fassade aus rot gestrichenem Beton nach unten brummte. Ich fuhr selten mit ihm. Von der Kantine im ersten Stock sind es nur zwei Etagen bis zur Requisite. Zwischenstopp. Und von dort aus sind es nur noch zwei Etagen bis zur Bühne.

Die Aufregung nahm mit jeder erklommenen Stufe zu. Kloß im Hals. Ein Ritter in voller Montur kam mir entgegen und löste gar nichts aus. Ich konnte nicht einmal grüßen, ich guckte nur blöde. Als ich die Tür zum Vorraum öffnete war dahinter gerade der Maskenbildner zu Gange. Er räumte einen Tisch beiseite und verließ kurz darauf den Bereich hinter der Bühne. Ich war allein. Eine kleine Ecke verstellt den Blick auf die Tür zur Bühne und auf den großen Requisitentisch, der links im kurzen Flur zum Bühnenaufgang abgestellt war. Ich ging darauf zu, vollführte die Drehung um die Ecke, ging noch einen Schritt und stand vor der ersten von zwei geschlossenen Türen, die den Vorraum von der Bühne abtrennen. Auf dem Requisitentisch stand ein Monitor, der das Geschehen auf der Bühne in Wort und Bild wiedergab. Von schräg unten hörte ich das dumpfe Dröhnen des Konzerts, das auf der Hauptbühne gerade in die Zugabe ging. Hier oben, direkt vor dem Monitor verblassten die Geräusche wieder, sobald ich mich dem Geschehen auf dem Bildschirm widmete. Meine Hände waren schweißnass. Gleich sollte es soweit sein. Vielleicht noch 5 Minuten.

Unschlüssig stand ich herum, kein Mensch war da. Ich öffnete vorsichtig die erste Tür, stellte mich zwischen beide Räume. Ich vernahm das Geschehen auf der Bühne nun in doppelter Ausfertigung. Das Original kam von rechts und der Durchschlag dröhnte vor mir aus dem Monitor, der weniger als einen Meter neben der Tür stand. Plötzlich setzte Spektakel auf der Bühne ein, ich erschrak heftig. Der Lautstärkepegel war für einen kurzen Moment enorm angeschwollen. Dopplereffekt, Interferenz hallten in meinem Bewusstsein nach. Ich schloss die Tür ebenso vorsichtig, wie ich sie geöffnet hatte. Vor dem Bildschirm lag eine Fernbedienung, ich regelte die Lautstärke herunter und begann, die Tür erneut zu öffnen. Ein feuchter Film lag bereits auf den Händen, ich wischte ihn am Ärmel ab. Als Kind hatte ich einmal einen Splitter im Zeigefinger, genau auf der Kuppe. Meine Mutter versuchte ihn mit einer Nadel zu entfernen und ängstlich beobachtete ich sie dabei. Sie hatte meinen Finger noch nicht mit der Nadel berührt, als ich bemerkte wie sich kleine Tropfen auf meiner Haut bildeten. Meine Mutter sah dies auch und staunte über meine Darbietung. Das kann ich heute noch.

Mit der schmierigen Hand strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht, klebte sie regelrecht hinter mein rechtes Ohr und fühlte dabei den Hammerschlag hinter der Schläfe. Ich brauchte keinen Haarfestiger. Noch 2 Minuten etwa, dann würde es losgehen. Die zuerst geöffnete Tür, sollte sie ganz geöffnet sein? Oder nur angelehnt? War der kleine dunkle Vorraum zur Bühne überhaupt groß genug, um alle aufzunehmen? Sah man nicht vielleicht das Licht der hellgrün getönten Neonröhren bereits durch die Türritzen auf die Bühne scheinen? Erschrocken ging ich in den großen Vorraum zurück und besah mir die Bühne aus der Kameraperspektive. Da war kein Lichtschein links unten. Gut. Ich ging zurück und bemerkte das Klebeband an den unteren Rändern der Tür. Noch eine Minute vielleicht.

Dem Treiben auf der Bühne konnte ich nicht folgen, musste ich glücklicherweise auch nicht. Mein Signal war der einsetzende Applaus. Ich stand herum, die Arme vor der Brust verschränkt, die Hände in klammen Ärmeln vergraben. Mein Schnaufen, ist das zu laut? Mein linkes Knie knackte mit ohrenbetäubendem Lärm. Plötzlich Stille auf der Bühne. Die ich unterbrochen hatte? Sie verflog mit der nächsten, vielleicht letzten Sentenz vor meinem Einsatz. Kein Applaus, Gelächter. Ein nächster Satz, noch einer. Musik, wieder Gelächter, Stimmengewirr. Und dann endlich: Applaus. Ich riss die zweite Tür, die seitlich auf die Bühne führt, auf, verlangsamte noch beim ersten Lichtschein, der von der Bühne auf mich fiel, meine Bewegung. Zu früh. Ich kibitzte durch den Spalt. Dann endlich hörte ich das Getrappel der Schauspieler. In großem Bogen öffnete ich die Tür, trat selber dahinter zurück in den Schatten und die Darsteller liefen an mir vorbei in den Vorraum. Sie sortierten sich in verabredeter Reihenfolge und trabten erneut auf die Bühne. Der Applaus ebbte nicht ab. Sie kamen zurück, tauschten wiederum die Positionen untereinander. „Toller Service!“, rief mir eine Schauspielerin lächelnd zu, ich lächelte zurück, sagte nichts. Was sollte ich auch sagen, mein Job war es, die Tür aufzuhalten.

Dienstag, 18. September 2012

Strandleben, letzte Einstellungen

Als ich die fünf da so sitzen sah, war mir sofort klar, dass da irgendwas nicht stimmen konnte. Bester Laune, mit einem kleinen elektrischen Spielzeug ausgestattet, aus dem der Klang eines dunklen, vor Stroboskopen nur so wimmelnden Kellers erscholl, lungerten vier auf der Decke und eine saß am Wasser und schaute auf ihr Handy. In angeregter Unterhaltung spritzten die vier wie eine Horde Wassertropfen in einer Zentrifuge um sich selbst. Standen auf, setzten sich wieder, nahmen ungelenk und körperbetont Haltungen ein, die jedem Orthopäden ein Schauergewitter über den Rücken gejagt hätte; da wurden Beine übereinander geschlagen, und zurück, ausgetreckt, abgeknickt, Wirbel verbogen und Hälse gerenkt.

Über allem schwebte eine Affektiertheit, eine kleine angelegentliche Künstlichkeit aus Sonnenbrillenblick und Schnatterwahn, die ich zu unterbrechen bereit war. Zuerst holte ich ein paar Holzklappstühle und lauschte von Ferne. Dann ging ich direkt hin und erbat mir, dass die „Fremdgetränke“ wenigstens im Rucksack zu verschwinden hätten, schließlich wollten wir hier am Strandleben unseren „richtigen“ Gästen unsere Getränke verkaufen. Das sei ja überhaupt kein Problem, und überhaupt wussten sie ja auch gar nicht, dass wir heute auf hätten. Und in der Tat, es sah in diesem Moment so sehr nach Regen aus, dass ich geneigt war, den Arbeitstag noch vor seinem Beginn wieder abzusagen. Ich blieb; stellte den 5 Wasservampiren sogar noch einen Ascher hin, wofür sie sich wieder recht überschwänglich bedankten – wie zuvor schon über meine Nichtvertreibung aus ihrem Paradies. Ich hätte sie wahrscheinlich vertreiben müssen. Sie konsumierten nichts, hatten nur Wasserflaschen und ein geheimes Depot, um die ständige Marschierbereitschaft gewährleisten zu können, sie aßen nichts, jedenfalls nichts von uns und überhaupt war die abgespielte – leise – Musik und ihr Verhalten alles andere als normal. Aber sie taten keinem weh, keine Menschenseele war sonst zu sehen.

Als ich vor Jahren am Adolf-Mittag-See einen Aushilfsjob als Bootjunge hatte, mussten wir, nachdem wir mit dem Aufbau des Vorplatzes ( wir stellten Gartenzwerge auf, Blumen mussten gegossen werden, es wurde geharkt usw. ) fertig und die Boote alle mit Riemen ausgestattet waren, eine Runde auf dem See fahren. Wir arbeiteten immer zu zweit, ein Kumpel und ich. Die Runde auf dem See – jeder in einem extra Boot – diente einzig und allein dem Zweck, dass alle umliegenden Zuschauer, Spaziergänger und sonstige Aufenthalter im Park, wo der See lag, wussten: jetzt ist der Bootsverleih geöffnet, kommt her und leiht euch ein Boot für eine Stunde! Rudert herum, wir helfen euch ins Boot und wieder hinaus, es gibt Schlager aus dem Radio und einen flotten Spruch vom Chef! Ihr wollt nur eine halbe Stunde? Klar, kein Problem, rudert seinetwegen nur 10 Minuten, kostet immer das Gleiche! Ist das nicht super? Und da soll ich die einzigen Zeugen für die Inbetriebnahme der Strandbar vertreiben? Die letzten Reste einer versprengten, verfeierten Nacht, eines ganzen Wochenendes womöglich? Nee, das mache ich nicht. Und dann kam einer von denen hoch zu uns an den Tresen, riss sich sichtlich zusammen und beschloss, einen Kaffee zu bestellen. Bekam er auch. Eine schwarze, heiße Brühe in einer weißen Tasse. Sein unsteter Blick, seine zwei Kaffeetassen, die er im Gesicht trug, brauchten wohl eine Auffrischung.

Als wir, nachdem doch tatsächlich noch 6 Gäste kamen, endlich schließen wollten, saßen die fünf immer noch da. Sie zappelten und rauschten, als gehörten sie zum Blätterwerk der Birke, unter der sie saßen. Wie wir uns begrüßt hatten, so gingen wir wieder und überließen den aufgeregten Strandwachen das Feld. Das war’s wohl mit der Saison, dieses Jahr. Keine Schicht mehr für mich. Bald wird alles abgebaut, eingelagert und auf den Frühling verwiesen, der wohl zu kommen scheint, irgendwann.

Mittwoch, 25. Juli 2012

Volumenimpressionen

Gestern Abend war die Hölle los. Am Strand stapelten sich die Liegestuhlbesitzer - also diejenigen, die noch ein begehrtes Modell erstehen konnten - neben den Sandsitzern. Alle mit einem Getränk oder mindestens dem Wunsche danach. Ich stand auf der falschen Seite des Tresens und mantrierte das Ende der Liegestühle, Sitzkissen, Roséweine. Nebenbei füllte ich Kühlschränke auf, diskutierte mit Leuten, die ihre Pfandmarken nicht bei sich hatten und gab Bier in rauen Mengen über den Tresen. Das Gewimmel war einzigartig.

Als ich später Feierabend hatte, setzte ich mich nach vorn auf die erste große Stufe, trank ein Bier und erkannte kaum, wer da noch so saß, weil es zu dunkel zum Gucken aber nicht zum Quatschen war. Prompt wurde ich angequatscht von der Freundin der anderen Bedienung. Von der Dornrößchenbrücke sähe das Strandleben immer wie ein unordentlicher Ameisenhaufen aus, sagte sie. Ich ergänzte, es seien rote Ameisen, weil die Liegestühle mit rotem Stoff bespannt sind. Bedenkt man, dass meistens dort leere Stühle sind, wo sie nicht gebraucht werden und summiert die Augenblicke des Getragenwerdens zusammen, könnte man auch meinen, es handele sich um Tragestühle auf dem vergessenen Weg nach Jerusalem.

Noch mehr als das stete Auf und Ab, das Kommen und Gehen, das Kronkorkenzischen und Gluckern im Glas sind es die Geräusche, die von den Anwesenden herübergetragen werden. Wie ein Schwamm, der über ein Gesicht fährt, kann man nie so genau ausmachen, wo sich dahinter welcher Finger befindet, weil die großporige Oberfläche genug Futter besitzt, um das Dahinter auszublenden. Das Gemurmel bemerkt man aber erst, wenn man sich enfernt von diesem Rauscheort.

Als ich mich entfernte und bei einem weiteren Bier zum Sitzen vor unserer Haustür kam, war ich dankbar über diese Grille, die der Nacht noch ein Geräusch abtrotzte. Als sie ebenfalls verstummte, brach die Stille über mich herein wie ein Paukenschlag, der Blick verschwamm und die Lampen trugen plötzlich koronale Lichtspitzen wie kleine Sterne. Ich packte mich, legte mich endlich hin und schlief ein traumloses Viertel Tag.

Samstag, 16. Juni 2012

Arbeitsgrammatik

Heute Morgen um 7 fuhr ich nicht den gewohnten Weg entlang der Leine ins Theater, sondern, weil ich in einer anderen Gewohnheit drin war, einen anderen Weg. Es war aber auch nichts wie gewöhnlich und doch hat sich der Tag nicht unbedingt von anderen Arbeitstagen unterschieden. Komische Sache.

Das ging schon damit los, dass ich eine Viertelstunde zu früh da war. Der Weg am Leineufer entlang, vorbei am verschlafenen Ihmezentrum, durch die Holperstraße an der Glocksee mit ihren ewig neu entstehenden Graffitis, über die Straße, in der Karl Koch gewohnt hatte, ist nämlich nicht der direkteste aber der schönere Arbeitsweg. Heute fuhr ich über die Dornrößchenbrücke auf dem anderen Ufer, bog unter dem Schnellweg nicht ab in Richtung Glockseebahnhof, um ans Ufer zurück zu kommen, sondern fuhr die Skulpturenmeile entlang, die sich dem Königsworther Platz anschließt. Links stapeln sich die Legosteinchen, erst Contihochhaus, dann das Allianzgebäude und das Arbeitsamt. Rechts, wo ich unterwegs war, stehen ein paar ältere Stadtvillen hinter der massiven Rundung des Gewerkschaftshauses, bis sich ebenfalls ein paar Klötzer in den Blick schieben. Am Clevertor, fuhr ich bei Grün über die Ampel. An der Brücke über die Leine, schräg gegenüber der einzigen katholischen Kirche im alten Stadtkern Hannover, früher notwendig für die Kur, heute wohl eher Kür, fuhr ich bei Rot. Bis auf die wenigen Flohmarktbetreiber waren weder Menschen und erst recht keine Fahrzeuge unterwegs.

Als ich ankam, gab es bereits Kaffee und alle Kollegen waren schon da. Ungewöhnlich. Wir starteten auch nicht um zehn nach 7 wie üblich, sondern erst gegen 8. Auf die Frage, was wir denn zu tun hätten, gab es eine blumige Antwort, die besagte, dass es wohl nicht so viel sei. Weshalb wir da waren, also insgesamt drei Aushilfen, blieb rätselhaft. Auf dem Ballhof 1 angekommen – der Ballhof 2 schien fertig aufgebaut zu sein und aus nichts weiter als einem schwarzen Tanzboden zu bestehen, auf dem ein paar Scheinwerfer und Boxen standen – erwarteten uns drei Züge, an die wir mit hundert Schleifen drei weiße Vorhänge festzurrten. Dann kamen die Tontechniker und die Lichttechnik und die Requisite. Die Requisite war wohl ein Versehen, denn es wurde mir sehr schnell klar, dass nicht nur oben auf dem Ballhof 2, sondern auch unten auf der Hauptbühne nur getanzt werden würde. Und wo getanzt wird, gibt es Kulissen und Requisite in überschaubarer Zahl. Wir gingen deshalb kurze Zeit später wieder nach oben und frühstückten ausgiebig. Dann war ich zufällig gerade nicht da, als drei von uns – die beiden anderen Aushilfen waren dabei – abgeordert wurden. Ich blieb oben sitzen und betrachtete die Uhr, die wegen Batterieschwäche immer langsamer fortkroch. Zum Frühstück ging sie gerade einmal 10 Minuten nach, und ich vermutete, dass das einfach deshalb so war, weil das Frühstück ja auf der Bühne ausgerufen aber im Pausenraum beendet wurde, also 10 Minuten mehr Zeit zum Frühstücken blieb. Als es dann allerdings auf 12 zuging und die Uhr erst bei Viertel nach 11 stand, musste ich meine Theorie wieder verwerfen.

Gegen 1 rief ich einen Kumpel an, der den Dienstplan vor Augen hatte und mir sagte, dass wir nur bis 12 gebucht worden waren, da kam dann endlich ein weiterer Marschbefehl. Wir gingen nach unten, rollten 5 weiße Böden aus und nagelten und klebten die Kanten ab. Um 14 Uhr, als es nur noch darum ging, mit ein paar Bändern die Leinwand zu fixieren, fuhr ich nach Hause, total geschafft vom vielen Rumsitzen. Als ich mir das Geschriebene eben noch einmal durchlas, um eine abschließende, treffende Beschreibung des heutigen Arbeitstages abzugeben, fiel mir nicht s weiter ein, als der zweite Satz im zweiten Absatz. Er steht da mitten drin und eigentlich ist er nicht so wichtig, in seiner Struktur aber sehr ähnlich dem heutigen Schaffen: Hauptsatz ohne Prädikat und dann eine ewige Litanei, bis dann am Ende des langen Einschubs das für den Hauptsatz wichtige Verb kommt, aber eigentlich gar nichts passiert ist.

Montag, 23. April 2012

Nudelkissen

Am Tag des Bieres musste ich arbeiten, und irgendwie passend: für eine Kneipe, nein, keine Kneipe, ein Szenelokal. Jeden Montag fahre ich mit leeren Kisten beladen in die Metro und kaufe dort im großen Stil ein. Mein Einkaufswagen ist groß, meine Liste ist gefühlt jeden Montag ein klein wenig länger und ich brauche auch irgendwie immer ein bißchen mehr Zeit, denke ich. Ist aber nicht so, es ist immer das Gleiche.

Heute war also Montag und mit dem Feierabend wollte ich mir ein schönes Bier genehmigen. Dafür sollte ich nur die Liste abarbeiten und den ganzen Kram nach dem Heimtransport noch in die Regale füllen. Leider bekam ich nicht den ganzen Kram. Die wichtigen Dinge sind nie ausreichend vorhanden und wenn man sie dann endlich so dringend braucht, dass man sich nach einer alternativen Einkaufsmöglichkeit umsieht, kommt plötzlich eine Lieferung, eine Werbung, und es gibt den Scheiß, den man am liebsten woanders gekauft hätte auch noch billiger als sonst.

Als vor zwei Wochen der Sommer ausbrach, gab es nicht einen vernünftigen Ketchup mehr in der Metro. Ich musste mit Glasflaschen vorlieb nehmen, in ungünstiger, weil zu kleiner Größe und dem doppelten an Gewicht. Jeder gottverdammte Grill in der Stadt wurde eingeweiht und ich war am Montag Abend einfach zu spät, um noch etwas vom Ketchup abzubekommen. Diesmal war es so mit den Knabbereien zum Kaffee. Die gab es nicht, zumindest nicht ausreichend, weil jeder gottverdammte Krepelkiosk seine Außenbestuhlung herausgekramt hat und glaubt jetzt doppelt soviel Kaffee wie sonst zu verkaufen, denn ab Donnerstag soll ja schönes Wetter kommen. Da ist Montag Abend einfach kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Scheiß drauf, gibt's eben halbe Walnüsse zum Kaffee, oder eine Gurkenscheibe.

Nach fast getaner Arbeit, die letzte Kiste drohte im Treppenaufgang, bestellte ich mir mein Essen in der Küche, bevor ich die beiden Nudelpakete herausholte und nach unten in den Keller trug. 10 kg Nudeln zu zwei Säcken, in jeder Hand einen. Ich legte sie wie immer auf den obersten Regalboden, wo sonst nur noch die Müsli- und Cornflakes-Kreationen ihrer Verzehrung harren. Ich hiefte sie hoch, stellte sie mit der schmalen Seite nach unten, sich leicht schräg gegenüber stehend. Dann machte ich in beide einen leichten Handkantenschlag und sie sahen aus wie Omis Kissen auf der Couch, immer wenn ich sie besuchen kam. Wenn es nicht der oberste Regalbodenträger gewesen wäre und die Decke so verdammt nah, dann hätte ich mir oben einen Apfelsaft und einen Eclair bestellt, mich zwischen die Nudelkissen gesetzt und meiner Oma dabei zugehört, wie unartig mein Vater war, als er so klein war wie ich.

Dienstag, 27. März 2012

Vorvor²letzter Arbeitstag

Hier ist es seit Stunden langweilig. Ich habe heute Morgen wahrscheinlich gleichzeitig mit der Langeweile meinen Dienst aufgenommen und in den wenigen Minuten, die ich hier wirklich beschäftigt war, muss sie rauchen gewesen sein. Die Langeweile will sich das Rauchen höchstwahrscheinlich abgewöhnen, denn sie war nur einmal rauchen. Es dauerte keine 5 Minuten, da saß sie schon wieder an ihrem Platz und nervte mich mit ihrer endlosen Anwesenheit. Mein Kollege neben mir, dem ist auch langweilig. Die Langeweile hat heute nämlich eine Doppelschicht.

Das Schlimmste daran ist aber, dass ich hier nicht weg kann. Wegen eines Buchungsfehlers musste ich heute zum Stundenmeister und der las mir erstmal die Leviten. Ich habe doch tatsächlich noch 47 Minusstunden aufzuholen. Wie wollen Sie das schaffen, fragte er mich und ich begann zu rechnen. Da ich im April nicht mehr hier bin - ich fühle mich von der Langeweile gemobbt und habe den Job geschmissen - muss ich die Stunden alle noch bis Ende der Woche ableisten. Unser Stundenmeister gab mir nach erfolglosem Zusammenrechnen die Möglichkeit, den 1. April auch noch zu kommen, schönen Dank auch.

In ca. 2 Stunden kann ich mich wieder ausstempeln, in der Zwischenzeit werde ich das restliche Internet auslesen oder durch den Raum verlaufende Kabel zählen.

edit (gefühlte 8 Stunden später): Nachdem ich jetzt weiß, warum man Kaffeefiltertüten faltet und wie das überhaupt so richtig geht (Internetauslese), setze ich die 4873. Kaffeekanne auf und lasse, wieder an meinen Platz zurückgekehrt, meine Stoßdämpfer über den Büroboden wippen als wäre der Teppich eine Wüstenrallye. Paris-Dakar.

Sonntag, 4. März 2012

10 Tonnen Sand und die Zeit dazwischen

Für Kleinigkeiten habe ich etwas übrig. Für kleine Unterschiede auch. Kleinigkeiten sind zum Beispiel diese kleinen weißen Kunststoffknöpfe, die in öffentlichen Toiletten dazu dienen, die Tür beim Öffnen nicht gegen die sowieso schon viel zu dünne Trennwand zur nächsten Toiletteneinheit schlagen zu lassen, sie abzufedern. Diese kleine Vorrichtung ist wahrscheinlich angeschraubt und verfügt über eine Hohlkammer, in die Luft dringt und den Stoß der Türklinge abfedert. Und das beste ist, für solche Viecher gibt es sogar einen Namen. Diese Dinger heißen Bummsinchen. Was es nicht alles gibt, dachte ich mir, und ging zu meinen Kollegen runter, um für das Theaterstück Antigone, was heute Abend spielt, mal eben 10 Tonnen Sand auf die Bühne zu schippen.

Gestern war ich auch schon im Theater arbeiten, das Bühnenbild war ein anderes, ein kleineres, wo wir uns eigentlich eher im Weg standen, als dass wir wirklich gebraucht wurden. Ich habe dreimal irgendwo angefasst und zwei Schrauben verschraubt. Sowas kommt vor und ist auch in Ordnung, besser als 10 Tonnen Sand. Auch da war ich wieder auf dem Örtchen. Auf diesem Örtchen gibt es seit ein paar Monaten einen neuen Händetrockner. Unter Hochdruck werden die Hände, die man zwischen zwei Öffnungen nach unten schiebt, angeblasen und sind in kürzester Zeit trocken. Als ich das Ding zum ersten Mal sah, und mich dazu äußerte wurde mir sogleich gesagt, wie sparsam das doch im Vergleich zu Papiertüchern wäre und wie schnell sich diese Geräte amortisieren würden. Nur laut sind sie, warf ich ein, das wurde aber nicht gehört.

Oder doch? Als ich gestern das Örtchen besuchte, hingen im angeklappten Fenster direkt neben dem Händetrockner über einem der Waschbecken ein paar Kopfhörer von der Sorte wie man sie auf dem Bau bei Leuten sieht, die in Kranen sitzen oder einen Rüttler über den Sand schieben. Ich dachte mir, das ist ja toll. Die sind bestimmt wegen des lauten Händetrockners anmontiert worden. Und in der Tat, dafür waren sie. Über dem Händetrockner war ein Foto angebracht, auf dem ein junger Mann diese Kopfhörer trug, als er die Hände in den Händetrockner tat. Heute waren die Kopfhörer leider nicht da. Das Foto war auch wieder weg.

Etwas drittes ist mir eingefallen,weshalb ich mich heute überhaupt nur mit der Toilettenaussattung befassen wollte, denn eigentlich fiel mir das zuerst ein. Ich wollte eigentlich schreiben, dass es mir in Thailand nicht selten passiert ist, dass ich die Türsperre in den Toiletten - wenn es denn kein einfacher Riegel war - immer anders herum öffnen oder schließen musste, als ich das von hier gewohnt bin. Wollte ich zuschließen musste ich aufdrehen und wollte ich aufschließen, musste ich zudrehen. Seltsame Sache, sowas.

Dienstag, 17. Januar 2012

stereotyp

Da sitze ich gestern mit drei jungen Damen im Aushilfenbüro und packe meinen Rucksack zusammen, weil ich endlich Feierabend habe. In der vorderen Tasche muss ich aber erstmal auspacken, um startklar zu werden. Da ist ein Haufen Müll drin. Ein Kugelschreiber kommt zum Vorschein, ein weiterer halber, zwei Marker der Farbe Gelb und die andere Hälfte des Kugelschreibers.

"Was ich für einen Quatsch in der Tasche habe", murmle ich so vor mich hin, als mir zwei gelbe Blätter eines Ficus in die Hände geraten. Ich erhalte einen Habichtblick von der Seite und den Kommentar: "Sagtest du gerade, was du für einen Quatsch in der Tasche hättest?"
"Ja?" war meine vorsichtige Antwort.
"Wir sind Frauen, frag uns doch mal, was wir tagtäglich mit uns herumschleppen!"

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Arbeiten im Grenzbereich

Zwischen den Jahren arbeiten zu müssen ist echt langweilig. Da sitzt man als einziger im Büro herum, hat eigentlich sogar was zu tun aber so wirklich anfassen lassen will sich die Arbeit auch nicht. Wieso nur habe ich soviele Minusstunden angehäuft, dass mir dies Los nicht erspart geblieben ist? Wieso gibt es Minusstunden überhaupt?

Leider sitzt im Büro nebenan jemand von den Festangestellten, sonst hätte ich schon längst meine Sachen gepackt und wäre Kaffee trinken gegangen. Ausgestempelt hätte ich mich dann am Nachmittag, dann hätte ich die Stunden aufgeholt und auch nur sinnlos herumgesessen - aber wenigstens nicht in diesem verwaisten Bürogebäude.

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