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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Alles nur Theater

Sonntag, 16. Februar 2014

Warten auf Dinge

Es ist 19:55 Uhr und ich stehe mit zwei Gestalten aus der Garderobe am hinteren Bühneneingang. Normalerweise steht hier niemand, schon gar nicht, wenn gleich das Stück losgehen soll, weil: durch diesen Eingang kommen die Zuschauer. Das Stück beginnt aber bereits im Treppenhaus, also dort, wo sonst eine Bar betrieben wird, und einmal bis zweimal am Wochenende Fahrstuhlmusik für die neuen 30er, also die 40-50 Jährigen, läuft. Dann stehen die ganzen alten jungen Leute auf der Treppe herum und plauschen und schwofen und sitzen auf Treppenstufen und trinken Bier und Cocktails und, naja, das Übliche eben.

Diesmal aber ist Theater, auf der Bühne, nur der Anfang, der spielt im Treppenhaus. Ich stehe also da hinten im Aufgang zu den Sitzplätzen und schaue von hinten unter ein riesiges BÜTEC-Monster. Ja, richtig. Das sind diese riesigen Alugerüste, aus denen sich die Stars und Sternchen ihre Bühnen zusammenbauen, um dann ihr Konzert auf der grünen Wiese, im Stadion oder im Konzertsaal zu geben. Daraus kann man auch Tribünen bauen, das wiederum sind die Dinger, auf denen man sitzt, wenn es kein Stehkonzert ist, wenn es Sitzplätze gibt. Man kann aus diesen Dingern nämlich sowohl Bühnen als auch Tribünen bauen.

Die Wörter Bühne und Tribüne sind übrigens nicht miteinander verwandt (behaupten so einige). Das Erstere hat keinen lateinischen Ursprung und ist irgendwie mit Boden verwandt. Das Letztere kommt aus dem lateinischen und schließt in sich die erhöhte Sitzposition mit ein. Darunter sind heute Stangen, Gestänge, kreuz und quer. Um das Auge nicht zu reizen, wurde das Ganze mit einem löchrigen Vorhang abgehängt, also eigentlich sind es nur Löcher, ein Netz sozusagen, das von Fäden zusammengehalten wird. Man kann durchgucken. Geht man ganz nah heran, wird das vorher Unscharfe plötzlich klar, dann schießt einem eine Ladung Staub in die Nase und es wird wieder unscharf, weil man sich entsetzt wieder vom Vorhang entfernt hat.

Endlich geht es los. Die Schauspieler gehen auf die Bühne, also ins Treppenhaus, und ich stehe ganz allein und warte darauf, dass die Schauspieler zurückkommen. Dann muss ich eine überdimensionierte Gardine entgegennehmen und sie der Garderobe in ein Fach tun. Vorher aber gehe ich seitlich am Vorhang, der das Gerüst vom Weg trennt, vorbei und werfe einen ungetrübten Blick auf das Gestänge. Nein, vielmehr suche ich den Boden ab. Dort unten liegen Pappbecher, alte Eintrittskarten und manchmal, ich habe leider noch nie eins gefunden, ein altes Portemonnaie, aus dem mindestens Hundert Mark hervorscheinen, so lange wurde hier nicht geputzt.

Tatsächlich fand ich unter einer solchen Tribüne, auf einer anderen Bühne, einmal eine 1-Euromünze, von der habe ich mir dann eine Brause im Aufenthaltsraum der Bühnentechnik gekauft. Da durfte ich hin, obwohl gar nicht Pause war, weil ich nämlich auch eine Glasscherbe fand, die dann in einem meiner Finger steckte. Der Notkoffer stand im Aufenthaltsraum und nach der Versorgung meines Fingers, schlürfte ich die Brause aus.

Ich überlege ganz kurz, ich sehe da hinten etwas, das könnte…, nee. Ist viel zu wenig Zeit, um da jetzt hinzuklettern. Das ist mir jetzt zu heikel. Da warte ich lieber auf Dinge…

Freitag, 31. Januar 2014

Fast umsonst

Ich kannte mal eine Opernsängerin. Das heißt Kennen ist vielleicht zu viel gesagt. Ich erwischte sie und ihren Begleiter vor einer steril wirkenden Einbauküche in einem Möbelgeschäft. Alurahmen, die Fronten in weiß/rot, anthrazitfarbene Arbeitsplatte und Elektrogeräten in Aludesign. Der Inbegriff kalter Perfektion. Ich war damals Azubi in diesem Möbelschrank und bis heute ist mir die Lust am Verkaufen geblieben, nur dass ich heute kein Geld mehr damit verdiene.

Diese Frau steht da also mit ihrem Begleiter, der ihr Vater hätte sein können, herum. Ich spreche die beiden an. Wir kommen ins Plaudern. Unversehens sitzen wir an meinem Schreibtisch und planen zusammen ihre Küche. Ich bin aufgeregt. Ich bin dann immer aufgeregt.

Zwei Küchenzeilen stehen sich gegenüber am Ende. Die Spüle und das Kochfeld bilden jeweils das Zentrum, der Kühlschrank ist nicht meine Angelegenheit, der steht separat an einer dritten Wand. Zweitürig, mit Eiswürfelfach, Alu bombiert.

In punkto Symmetrie und Gestaltung habe ich mich selbst übertroffen. Ich weiß, dass ich diese Küche nicht verkaufen werde. Ich sehe die Einzelpreise, ziehe heimlich Bilanz und es ergeben sich wahnsinnige 15.000 DM auf dem Monitor.

Vor meinem Pärchen wiederhole ich alles. Ich sammle jedes „Ja“ ein, dessen ich habhaft werde, ich preise die Optik, erkläre die Geräte, ich gehe auf die besondere Funktionalität ein, die dieses Stück Küche hat. Und dann hole ich zum finalen Schlag aus: „Möchten Sie die Küche so bestellen? Ist in 6 Wochen lieferbar. Montiert und komplett angeschlossen! Sie kostet nur 15 Schleifen“ (Schleifen habe ich nicht gesagt). Sie guckt ihn an: „Machst du das jetzt, ich habe Hunger und muss dringend was essen.“ Er nickt. Mein Herz ist ein Affe.

Sie verabschiedet sich. Wir machen weiter. Der Vertrag läuft auf ihren Namen. Sie ist gerade hierher gezogen, neues Ensemble, neuer Vertrag an der hiesigen Oper. Ich fülle die Verträge aus, sie kommt zurück und unterschreibt, wir verabschieden uns. Schon im Gehen guckt er plötzlich schief, grinst und sagt, dass ich mir gar nicht so viel Mühe hätte geben müssen, er mich aber auch nicht habe unterbrechen wollen, das klang alles so schön. Sie kochen nämlich gar nicht, sondern gehen viel lieber essen.

Freitag, 17. Januar 2014

Vorher-Nachher

Was macht man denn so, wenn man in der Requisite arbeitet? So lange wie die Vorstellung läuft, im Idealfall, nichts. Vorher hat man jedoch einiges zu tun. Man könnte zum Beispiel Aktenordner platzieren oder Blumen einpflanzen.



Wenn dann alles fertig ist, könnte das Bühnenbild so aussehen.

Dann folgt die Vorstellung. Es wird geschrien, gesungen, gelacht, geraucht, gerauft, geschossen und mit dem Beil zerhackt, was gerade so da ist. Dann wird alles ineinander geworfen und mit Erde beschmiert, neu gestapelt und wieder zerstört, bis sich kein Stück mehr dort befindet, wo es anfangs gelegen hat.


Dann kommen wir wieder ins Spiel und drehen die Uhr auf Anfang zurück.

Mittwoch, 15. Januar 2014

HP2

Gestern Abend habe ich zum ersten Mal einer HP beigewohnt. Um genauer zu sein, war es sogar eine HP2. Wissen Sie was eine HP2 ist? Ich weiß es auch nicht. Es gibt ja in fast jedem Berufszweig ein gewisses Vokabular, das man sich anzueignen hat, wenn man mitreden möchte. Bei der Bundeswehr haben sich die StUffze und Uffze zu Beginn einer Ausbildung immer einen Spaß daraus gemacht, einen unliebsamen Rekruten durch die Kaserne zu jagen, um ihn den Schlüssel für den Verfügungsraum holen zu lassen. Diese Rallye war mit unaufhörlichem Grüßen und Gegengrüßen, Salutieren und Meldung machen verbunden. Am Ende stand man dann am Tor bei der Wache und wurde nicht mehr nur belächelt, sondern endlich darüber aufgeklärt, was denn dieser gottverdammte Verfügungsraum überhaupt sei, nichts anderes natürlich als die Kaserne selbst. Mich hat man nie losgeschickt, um den Schlüssel zu holen, ich kenne nicht einmal einen, den sie losgeschickt hätten, vielleicht fällt das Ganze unter die Rubrik moderne Volkssagen, vielleicht ist es nicht einmal dafür geschaffen, so blöd ist das.

Im Sommer arbeite ich immer mit einer Flugbegleiterin zusammen am Strand. Die hatte einmal eine Zeitschrift ihres Arbeitgebers dabei. Ich blätterte darin herum und fing an zu lesen. Es wimmelte nur so von Fachbegriffen und Abkürzungen, ich verstand den Text nur mit Mühe und Nachfragen. Und jetzt nach mehreren Jahren Theaterjob kommt mir ein HP2 unter. Hauptprobe vielleicht? Ich traute mich nicht zu fragen, was, in Anbetracht meiner Erfahrungen und dem eigentlichen Zweck meiner Arbeit, nämlich nicht alles wissen zu müssen, sondern nur dafür zu sorgen, dass alles an seinem Platz ist, mich nicht weiter beunruhigte. Neugier ist der Katze Tod, sagt man, oder Neugier ist des Rekruten Sport, könnte man auch sagen. Wie auch immer.

Es war wie eine echte Aufführung des Stückes; mit Kostümen, voll möblierter Bühne nebst Requisiten, mit nur einem verpassten Einsatz. Ansonsten lief alles glatt. Die Bühne ist ein Durcheinander aus Aktenschränken, Europaletten, Zetteln und Akten. Alles wird ineinander geworfen, verzettelt, mit Kaffee übergossen und mit Dreck beschmiert. Ich konnte mich kaum auf das Stück konzentrieren, weil ich immer nur die Arbeit sah, die im Anschluss auf mich zukommen sollte. Wüsste ich, was eine HP2 ist, wollte ich wissen, was eine HP2 ist, so säße ich wahrscheinlich in einer hinteren Reihe und würde zu Beginn und am Ende Anweisungen schreien müssen, ich würde nervös auf und ab gehen und mir den Kopf zermartern wegen einer Szene und ihrer Beleuchtung. So saß ich in der ersten Reihe und bestaunte das Chaos.

Niemand hat geklatscht am Ende. Mir war sowieso nicht danach und den wenigen Zuschauern wohl auch nicht. Vielleicht bringt das ja Unglück. Vielleicht klatscht man nicht bei einer HP2.

Freitag, 27. Dezember 2013

Vernetzt euch: Später gleich

„Ich freue mich auf später gleich“, sagte sie, die immer so dermaßen verkleidet zur Arbeit kommt, dass man sie glatt für eine Schauspielerin halten könnte. Dabei arbeitet sie doch in der Garderobe. Wir standen hier am Aufgang der Treppe und warteten auf den Beginn der Vorstellung, die für jeden von uns noch eine Aufgabe bereithielt.

In mir klang dieser Satz nach, und das Essen bei der Requisite. Naja, das klang nicht nach, das setzte mir eher zu. Es machte mich schwer, schwerfällig, träge. Ich überlegte die ganze Zeit, wie das gemeint sein könnte, dieses „später gleich“ und dann dachte ich an das Essen zurück.

Ich hatte mich beim Essen in der Requisite bewusst zurückgehalten, denn meine Mahlzeit hatte ich schon einer anderen versprochen. Rosalva. Eine kleine resolute Italienerin, die immer, wenn sie in der Kantine Dienst hat, mir keinen aufgewärmten Kram hinstellt. Sie holt dann ein paar frische Zutaten aus ihrem Kühllager und zaubert etwas; neapolitanisch, vegetarisch, leicht. Bei ihr liegt der Rucola ohne Hipsterattitüde auf dem Teller, der schmiegt sich ein in ihre Kreation, als gehöre er dahin. Dabei esse ich gar keine Ölrauke. Die schlimmste Vorstellung, die ich dabei habe, ist, dass irgendein Supermarkt mal wieder Kreuzkraut mit Ölrauke verwechselt und ich davon zufällig zu essen bekomme. Bei ihr esse ich Rucola, weil das so selbstverständlich ist, wie ein Löffel zur Suppe.

Später gleich, das hieß für mich ein Teller Couscous mit Feldsalat und Rucola. Ein Hauch von Zitrone und eine ganze Reihe Kräuter. Ich fragte sie einmal, ob da Thymian drin gewesen wäre. Sie schaute mich an, überlegte. Sie holte tief Luft, überlegte es sich anders und lachte plötzlich, als hätte ich sie nach der Geheimzahl ihrer Bankkarte gefragt. Das könne sie mir nicht sagen, sagte sie und schüttelte den Kopf. Was mich an einen griechischen Koch erinnerte, bei dem ich früher in der Küche aushalf. Er verbarg das Rezept seiner Metaxasoße in einer schäbigen Plastikfolie. Darin befand sich ein versiffter Wisch, auf dem stand in griechischen Buchstaben sein gehütetes Geheimnis. Ich sah es beim Verlassen der Küche über seine Schulter hinweg, denn die Küche musste ich immer verlassen, sobald er anfing, die Zutaten dafür herauszusuchen.

Später gleich. Diese unterschiedlichen Modi des Aufschubs, die können wir beliebig aneinander reihen, aber sie weisen immer nur in die Zukunft. Später dann, jetzt bald. In die Vergangenheit können wir das nicht, auf dieser Straße geht es nur in eine Richtung. Die Vergangenheit können wir nicht mehr aufschieben. Die können wir nur noch vor uns hertragen, so wie ich meinen Bauch vor mir hertrug.

Zuerst aß ich in der Requisite Kartoffelspalten mit Sauerrahm und mit Frischkäse gefüllten Peperoni. Ich konnte die Requisitendamen doch nicht enttäuschen, wenn sie mich schon zum Essen einluden. Ebenso wenig konnte ich aber Rosalva enttäuschen. Sie kassiert von mir immer nur das Nötigste und wenn ich Trinkgeld gebe, lädt sie mich danach auf einen Kaffee ein, also aß ich danach noch das Couscous mit einem Hauch Zitrone.

Später gleich, das hieß sowohl für die Garderobendame als auch für mich Feierabend. Später gleich würde ich zu Herr Putzig fahren und etwas zu klären haben mit einem Schnaps, darauf freute ich mich.

Dieser Text folgte einem Gedanken auf seine ganz eigene Weise. Der Kiezneurotiker war es, der den Aufruf zu meinem Gedanken formulierte und dabei sicherlich ganz andere Gedanken hatte, als ich. Aber die Botschaft seines Textes war und ist völlig klar. Wir müssen aufhören, unsere Leser wie Geheimnisse zu hüten, Blogs sollten keine Sackgasse sein, sie sollten eine sinnvolle Alternative zu immer weniger freien, sich abschottenden Plattformen wie Facebook, Google+ und Co. darstellen. Und dazu ist nun einmal nötig, sich untereinander zu vernetzen. Nachzulesen ist der Artikel hier.

Es wäre schlicht falsch, zu behaupten, es gäbe keine Vernetzung aber sie ist, wie ich finde, immer noch marginal. Vernetzung kostet Zeit und als mir der Gedanke dieses Projektes kam, war mir längst nicht klar, wie viele Mails ich schreiben, wie viele Texte ich lesen, wie viele Gedanken ich mir machen muss. Dieses Projekt verbindet neun Blogs. Die Verbindungen sind als Link im Text gekennzeichnet, der Link führt in ein anderes Blog, in einen anderen Text, und ähnlich dünn, wie meine Assoziation gegenüber dem Text vom Kiezneurotiker verhält es sich auch mit den Verbindungen dieser neun Texte untereinander. Es kann eine Phrase, ein Satz oder nur Wort sein, was den Link trägt, immer ist ein Gedanke dabei gewesen, der sich manchmal platt und konstruiert, manchmal subtil und hintersinnig präsentiert.

Folgen Sie den Links, vertrauen Sie uns, und am Ende sind Sie wieder da, wo sie hergekommen sind.

Samstag, 7. Dezember 2013

Applaus befohlen

Ich saß gerade in der Kantine, als die Durchsage kam. „In 5 Minuten ist das Stück zu Ende, dann kommt Applaus.“ Diese hoffnungsfrohe Botschaft hat natürlich einen ganz eigenen Sinn, den ich hier vorerst nicht erläutern möchte, mir geht es vorerst um die Sinnvarianten, die damit nicht gemeint sind.

Einerseits hat diese Aufforderung – und so viel steht in jedem Fall fest: es ist eine Aufforderung – natürlich den Charakter eines frommen Wunsches, denn gerade heute, wo auch noch Premiere war, hätte ja statt Applaus auch ein Buhrufchor seine vielen Stimmen erheben können. Immerhin weiß man ja nie, ob ein Stück geglückt ist, bis dann der erlösende, tosende Beifall ertönt.

Auf der anderen Seite sind gerade bei Premieren natürlich sehr viele Theaterangehörige im Publikum, um genau das oben beschriebene Szenario zu verhindern. Außerdem könnte man ja auch meinen, dass der Aufruf zum Applaus an das Publikum gerichtet sein mag, dieses nur nicht hören kann, weil es ja vor und nicht hinter den Kulissen sitzt. Dann wird es erst recht absurd.

Ich saß gerade mit zwei Kollegen in der Kantine, als die Durchsage kam. Ich fragte, ob dies immer durchgerufen würde, weil ich das von der kleinen Bühne nicht kenne. Da wird immer nur angesagt, das Stück sei jetzt vorbei, vielen Dank allen Beteiligten und schönen Abend. Ja, das wäre immer so. Das ist ja die große Bühne. Da wird der Applaus noch befohlen. Da geht es ab. Man hört das Johlen noch im Treppenhaus.

Vielleicht will man die wenigen Mitarbeiter hinter der Bühne aber auch warnen, dass die Geräusche, die so plötzlich anbranden, kein Grund zur Beunruhigung sind, vielmehr wäre keine Geräuschkulisse ein Grund zur Beunruhigung. Ohne Warnung steigt man aus dem Fahrstuhl und hört es laut klatschen, man verbeugt sich und stößt sich womöglich an der zuschlagenden Fahrstuhltür oder man steigt gar nicht erst aus, sondern geht lieber einen Schritt zurück ins Innere der Kabine, weil man doch just einen Eimer mit Kunstblut am Leib trägt.

Und dann sind wir auch schon bei der eigentlichen Aussage „…dann kommt Applaus.“ Stellen Sie es sich ungefähr so vor, als säßen Sie mit Ihrer oder Ihrem Holden im Wohnzimmer und plötzlich äußert diese: „Mir ist kalt.“ Das ruft Mitleid hervor oder es nötigt einem vielleicht die Decke ab, in der man es sich gerade gemütlich gemacht hat. Der eigentliche Satz aber lautet: „Es zieht, mach das Fenster zu!“ So müssen wir den Satz verstehen. Denn Schauspieler, die bereits früher von der Bühne abgehen, verlaufen sich automatisch in die Kantine und halten eine kleine Pause, wo sie dann 5 Minuten vor Ende des Stückes zurückgerufen werden, um den Applaus zu empfangen. Ja, so war das.

Montag, 18. November 2013

Ascher vergessen

Ich habe den Ascher vergessen. Premiere, frenetischer Beifall. Hochstimmung. Die Technik ist da ganz anders. Die Jungs bauen erstmal die Rampe für den Rollstuhlfahrer. Der sieht auch sein Gutes in ohne Beine, er darf durch die Hinterbühne zum Personalausgang, weil es da einen Fahrstuhl gibt. Da sieht er die Schauspieler sich feiern. Alle umarmen sich, während ich die Tür des Fahrstuhls ins Kreuz bekomme, weil ich die Lichtschranke nicht getroffen habe. Mein Chef hält die Tür zum Flur auf. Als wir fertig sind, kommt die Technik auf ein Gespräch zu meinen Chef. Da fehlte eine Ascher am Bühneneingang.

„Hast du den Ascher etwa nicht platziert?“ fragt er mich. Doch habe ich, erwidere ich. Ich habe den Ascher genau dorthin zurück gestellt , wo ich ihn vor dem Saubermachen hergeholt habe, auf den Requisitentisch im Vorraum. Ich hätte in die Mappe gucken sollen, in die Scheißmappe, wo immer alles drin steht. Ich Chaot, sagt mein Chef, dann ist das erledigt.

Wenn ich in einem ein Stück die Requisiten selbst zurechtlegen muss, renne ich immer wie angestochen über die Bühne, frage mich dabei mindestens einmal während der Vorbereitungen, wo ich diese verdammte Scheißmappe hingelegt habe, in der steht, wo welche Requisite hingehört. Ich bin total aufgeregt, gehe den Plan drei- bis viermal durch, gleiche alles ab.

Bei der Premiere bin ich immer ganz ruhig, weil ich da überhaupt nichts mache, außer so Kleinigkeiten wie ein bisschen Streu nachlegen oder einen Ascher vergessen. Da stehe ich ein wenig weiter weg und tue so, als ob mich das alles nichts anginge. Nur wer gezielt auf mich zukommt, bekommt ein dreifach Gespucktes über die linke Schulter serviert. Ich bin nicht dabei bei der Entstehung des Stückes, ich teile nie die Aufregung, ob alles klappt bei einer Premiere, weil ich meine ganz eigene Aufregung kultiviere.

Ich stehe bei den Premieren lieber im Abseits, lasse mich ungern umarmen und beglückwünschen. Ich bin ja nur der Verwalter dieser gewachsenen Struktur. Ich bin nur dabei, damit ich sehe, wie es später gemacht wird. Ich räume auf und ab.

Die Scheißmappe liegt immer irgendwo auf einem Tisch, wo ich zufällig vorbeikam und kurz Rast machte. Alles hat eben seinen Platz. Auch Ascher. Die Kippen liegen stattdessen auf dem Boden und ich sammle sie von Hand auf. Ich werfe sie in die Mülltonne der Bühnentechnik, auf der ein Zettel angeklebt ist, auf dem steht „Keine Lebensmittel!“

Samstag, 12. Oktober 2013

Das Schlüsselbund des Intendanten

Bin im Theater. Es läuft bereits und ich vertreibe mir die Zeit, indem ich in der Cafeteria den Gesprächen lausche. Nebenbei tue ich so, als läse ich in einem furchtbar interessanten Zeitungsartikel. Es liegt nämlich immer ein Pressespiegel vom Tage herum, in dem all die für den Kulturbetrieb relevanten Artikel hineinkopiert und gebündelt werden.

Heute ist oben auf der kleinen Bühne ein Vorsprechen und dafür sind einige Leute angereist, die ich noch nie gesehen habe. Die erzählen sich dann beim Bier ihre dicksten Geschichten, packen noch eine Ladung oben drauf und schlingern mit diesem Karren in meinen Gehörgang, nicht ohne das ein oder andere dabei umzustoßen.

Gerade in diesem Moment sitzt ein Nachwuchsschauspieler mit einem altgedienten Techniker beisammen. Der Alte hat den Jungen auf ein Bier eingeladen und sie unterhalten sich über Beleuchtung. Der Nachwuchsschauspieler erzählt gerade, wie er an einem Regler für die Beleuchtung sitzt, der Regisseur von unten ruft, weiter, ja, noch weiter, während er oben längst die Hand vom Regler genommen hat und sich gähnend die Hand vor den Mund hält und plötzlich von unten ein, ja, so ist es gut, ertönt, so lassen wir das.

Jetzt kommt Bewegung in den Techniker. Er erzählt den gleichen Vorgang in einem Dutzend von Varianten nochmals, bis auch der letzte heimliche Zuhörer, also ich, bemerkt hat, dass er längst Bescheid weiß und dass das eigentlich seine Geschichte gewesen ist, die sich der Jungspund hier nur in einem Anflug von Größenwahn unter den Nagel gerissen hat. Und das, wo er ihm doch gerade ein Bier ausgegeben hat. Zusätzlich zu dem Variantendutzend gibt der Techniker nun auch noch unterschiedliche Erklärungen dafür ab, weshalb das immer so läuft, und weshalb nicht einfach die empfohlenen Einstellungen der versierten Techniker übernommen werden. Es geht zum Beispiel darum, als Regisseur das letzte Wort zu haben, den größten Hut, den tollsten Schal und überhaupt das dickste Schlüsselbund, das Schlüsselbund des Intendanten zu besitzen. So läuft das eben, beschwört der Alte seinen Jünger.

Ich habe jetzt eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Schlüsselbundes des Jungschauspielers. Es ist definitiv kleiner als das des Technikers. Ich hole mein geborgtes Requisitenschlüsselbund hervor, wo sich auch eine kleine Variante des großen Universalschlüssels der gesamten Schließanlage des Hauses befindet. Ich atme hörbar die Luft ein, prüfe noch einmal die ganzen Bärte der Requisitenschlüssel, denke an die ganzen alten Zöpfe und kann ein Gähnen nur mühsam unterdrücken.

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