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James Thurber

Durch Zufall geriet ich an diesen Kauz, der in einem knallgelben Umschlag steckte, irgendwo in der Humorabteilung der einzigen Bibliothek, die ich kannte. Die Humorabteilung bestand aus genau einem Regal, das fünf oder sechs Fächer hatte mit einer Breite von ca. einem Meter, und dass ich darin James Thurber fand, verdanke ich dem Umstand, dass auf dem Buchrücken, der wie gesagt in einem gelben Schutzumschlag steckt, ein Stern über und unter dem Buchtitel steht. Die Anordnung des Schriftzugs ist waagerecht, für einen Buchrücken nicht gerade üblich, und den Namen und Titel mit Sternen einzufassen auch nicht. Mich erinnerten diese Sterne an drei andere Sterne, an Bücher aus dem gleichen Verlag, Verlag Neues Leben Berlin. Sie stehen allerdings auf dem Cover in einer Art Plakette, die schwarz gehalten und neben den drei Sternen das Attribut „SPANNEND ERZÄHLT“ enthält.

Ich war gerade in der elften Klasse. Ich las, nein ich verschlang Fantasy und Science Fiction in Massen, die nicht gesund sein konnten. Ich las im Unterricht, in den Pausen, im Bus, im Bett, überall. Und dann sollten wir ein Buch vorstellen im Deutschunterricht und mir fiel keines ein. Ich hatte annähernd 30 Bände von Karl May gelesen, ich kannte die Shannara-Reihe, Das Schwarze Auge, Alan Dean Fosters „Die Denkenden Wälder“ hatte ich schon dreimal verschlungen und keines dieser Bücher wollte ich vorstellen. Darauf warteten doch alle, dass ich mich mit so einem Schund lächerlich machte. Nein, das ging nicht. Und dann gab es da einen in der Klasse, der ähnlich uncool war wie ich, ein netter Kerl, ist heute, glaube ich, Apotheker oder sowas, den hörte ich von Kishon sprechen. Er hatte sich ein Buch von dem genommen, hatte gemerkt, dass das alles nur Kurzgeschichten waren und sich davon einfach eine herausgepickt, die er dann vorstellen wollte. Der hatte nicht einmal das ganze Buch gelesen. Das wollte ich auch.

Also ging ich in die Bibliothek und traf in der Humorabteilung James Thurber. Auf der rechten Innenseite des Schutzumschlags ist er abgebildet. Er sieht auf dem Bild ein wenig kränklich aus, er sieht aus, als würde er von zu Hause aus im Büro anrufen und mit verstellter Stimme sich selbst zu sprechen verlangen, und wenn man ihm dann sagte, er wäre nicht da… Ach, lesen Sie es selbst nach. Es gibt ja schließlich auch eine westdeutsche Ausgabe. Die hat sogar zwei Vorworte, eins von einem gewissen Reinhard Lettau und das andere stammt von Thurber selbst und steht auch in der ostdeutschen Ausgabe drin. Ich habe beide Ausgaben, nur so, weil ich sie eben habe. Die westdeutsche ist ein ehemaliges Bibliotheksexemplar, welch Ironie, und die ostdeutsche habe ich in einem Antiquariat irgendwo in der ostdeutschen Provinz erstanden.
Warum erzähle ich das alles? Ich habe gerade „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ gesehen. Typisch amerikanisches Popcornkino. Ein bisschen Action, ein wenig Romantik, tolle Schauspieler, tolle Dialoge, tolle Bilder, toller Film. Die Geschichte dazu lieferte, haha, James Thurber. Das ist natürlich nicht ganz richtig, denn die Kurzgeschichte liefert einen ganz anderen Walter Mitty, vielleicht den Walter Mitty des Films in ca. 30 Jahren, nach einer langen ermüdenden Ehe mit einem Mann, der einfach mal eben abschaltet und sich in eine Traumwelt verzieht. Die Kurzgeschichte ist viel besser als der Film. Das Buch, „Lachen mit Thurber“, ist grandios, dagegen hat dieser Film, auch wenn er ziemlich gut ist, keine Chance.

Als ich im Unterricht dann dieses Buch vorstellen sollte, musste ich natürlich auch etwas aus dem Buch vorlesen. Ich wählte die Geschichte „Neun Nadeln“ aus, unverfilmbar. Den Vortrag musste ich nach 5 Minuten abbrechen, weil ich mit dem Lachen nicht aufhören konnte. Niemand sonst lachte, das stachelte mich noch mehr an. Ich lachte und lachte. Meine Deutschlehrerin unterbrach mich irgendwann, nachdem ich mehrmals versucht hatte, weiterzulesen. Sie sagte, dass es gut sei, während ich lachte. Ich kicherte den ganzen lieben langen Tag. Immer wieder brach ich in Gelächter aus. Ich saß in einer Unterrichtsstunde und plötzlich musste ich lachen. Auf dem Schulhof, auf dem Nachhauseweg, wenn mir jemand entgegenkam, versuchte ich zumindest die Mundwinkel einzuziehen, ich hielt mein Gesicht fest, als ob ich mir über die frische Rasur streichen wollte, dabei wollte ich nur mein Gesicht festhalten. Ich habe doch gar keinen Bart. Dann musste ich genau daran denken, an den Bart, an die neun Nadeln, an die Rasur, die in der Geschichte so dermaßen schief geht und ich schnaufte mir den Rotz auf den Handrücken vor Lachen, weil ich mir ja den Mund zuhielt. Mir liefen die Tränen, ich wischte sie beiseite und hielt mein Gesicht fest. Ich versuchte alles festzuhalten. Mein Bauch, ich bekam kaum noch Luft, so sehr lachte ich. Dann ging es wieder kurzzeitig, bis zum nächsten Ausbruch.

Ich las nicht nur diese eine Geschichte. Ich lachte bei keiner anderen Geschichte soviel wie bei dieser einen, obwohl da noch andere Lacher drin sind, „Der Admiral auf dem Fahrrad“, „Der Bordstein im Himmel“ oder „Das Geheimnis um den MacBeth Mord“. „Walter Mitty“ hatte ich sogar vergessen, bis der Film in die Kinos kam. Ich las das ganze Buch. Ich habe kein anderes Buch von Thurber gelesen, ich habe mich nie darum bemüht, eins zu finden. An einer Stelle im Film sagt Sean Penn so etwas wie, manchmal betätige er den Auslöser seiner Kamera gar nicht, wenn ihm der Moment so gefällt, wie er ist, also wenn der Moment ihm persönlich gefällt, dann würde die Kamera zu bedienen den Moment nur zerstören.
Thies (Gast) - 10. Dez, 13:42

Mehr von Thurber:

Ist nicht so einfach, mehr von ihm zu finden. Er war Autor und Zeichner beim NewYorker, und so kurzsichtig, dass er mit einem dicken Stift an einer Wand zeichnete, die Nase ganz nah dran. (Daher der Admiral auf dem Fahrrad.)
Es gibt einen Film mit Jack Lemmon, der Thurbers Leben grob zum Vorbild hat: "The War between Man and Women" von 1972.
Es gab ein Rororo namens "So spricht der Hund" – Thurber hatte viele Hunde in seinem Leben.
Und er hat neben den fiesen Märchen auch das eine oder andre liebe geschrieben: "Das geheimnisvolle O" ist 1966 beim Karl Rauch Verlag erschienen.
Meine Lieblinge sind im Übrigen "Die Winships trennen sich", die Spottdrossel und natürlich Mitty.
Der neue Film war tatsächlich doof.

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